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Archiv-Artikel

Abschiebung ins Waisenhaus

Hamburger Ausländerbehörde schiebt Jugendliche ab, obwohl die Eltern einen Aufenthaltsstatus für Deutschland besitzen. Einzige Begründung: Illegale Einreise. Die Deutsche Botschaft sorgt für den Abstellplatz im Heimatland

von KAI VON APPEN

Schwarz-Schill schreckt in Hamburg vor nichts zurück: Die Ausländerbehörde versucht zurzeit verstärkt Kinder und Jugendliche auszuweisen, um hohe Abschiebequoten zu erreichen. „Es gibt Fälle, in denen 14-Jährige nach jahrelanger Duldung das Land wegen illegaler Einreise verlassen müssen“, berichtet der Rechtsanwalt Anton Eger. Dabei werde häufig Psychoterror angewandt, um die Mütter mürbe zu machen. „Früher war klar: das geht nicht. Jetzt wird es einfach gemacht. Wenn es keine Behörde wäre, wäre es ein Verbrechen.“

Zugegeben – Gifty (14) und Sylvia-Oppong (13) aus Ghana waren im vorigen November nicht legal nach Deutschland eingereist, nachdem ihnen dieser Weg von den Behörden verwehrt worden war. Doch jetzt leben die Mädchen ganz normal bei ihrer leiblichen Mutter in Hamburg, gehen in die Schule und bringen dort gute Leistungen. Nach dem Willen der Ausländerbehörde soll damit nun Schluss sein, bereits am kommenden Dienstag wartet auf die beiden Kinder der Abschiebeflieger Richtung Ghana – direkt ins Waisenhaus. „Für den Fall, dass die beiden nicht freiwillig erscheinen, hat man ihnen heute die Festnahme angekündigt“, berichtet Eger der taz hamburg.

Mutter Dorothy Soder-Blom-Amankwaah lebt seit zehn Jahren mit Aufenthaltsstatus in Hamburg, nachdem sie sich in Ghana von ihrem damaligen Mann getrennt hatte und zunächst die beiden Töchter zurücklassen musste. Sie hat mittlerweile einen Deutschen geheiratet und mit dem Partner ein Kind.

Vor zwei Jahren versuchte sie Gifty und Sylvia-Oppong, die dort zuletzt in einem Internat lebten, aus Ghana nach Hamburg zu holen. Doch ein Antrag auf Visum und Familienzusammenführung wurde von der deutschen Botschaft in Ghana abgelehnt. Begründung: Die Mutter habe sich bislang ja auch nicht um ihre Töchter gekümmert. Das Verwaltungsgericht in Berlin folgte im Wesentlichen dieser Argumentation, Kinder und Mutter hätten sich nach so langer Zeit „entfremdet“, zum „Wohle der Kinder“ sei ein Verbleib in Ghana sinnvoller.

Im November vorigen Jahres wurden die Jugendlichen dann über Umwege nach Hamburg gebracht – ohne Visum und Paß. Und statt normal-menschliches Verständnis zu zeigen, schwingt die Behörde nun die Abschiebekeule. „Das war eine vorsätzlich illegale Einreise“, begründet Norbert Smekal, Sprecher der Ausländerbehörde, die harte Tour. „Wenn jemand ohne Visum aus dem Ausland kommt, ist das ausländerrechtlich klar: Die müssen wieder raus.“ Daran ändere auch der Grundsatz der Familienzusammenführung nichts. „Da lässt sich nichts mehr heilen.“

Die „neue Qualität“ des behördlichen Vorgehens sieht Eger darin, dass sich die Deutsche Botschaft von der Ausländerbehörde einspannen lässt, um einen „Abstellplatz“ zu finden und so einen geordneten Verbleib der Jugendlichen vorzugaukeln. Angeblich habe sich die Botschaft an die ghanaischen Behörden gewandt und für die beiden Mädchen einen Waisenhausplatz organisiert – was Eger bezweifelt. Es gebe auch keine Zusage der Behörde auf gesicherten Aufenthaltsstatus, wenn die beiden Mädchen formal ausreisen und mit Visum wieder einreisen.

Für Anwalt Eger kein Einzelfall. Er hat einen weiteren 14-jährigen Mandanten, dem die Abschiebung droht. Seine Einreise vor sechs Jahren war illegal. Als die Mutter bei der Behörde doch noch eine Duldung erwirken wollte, griff der Sachbearbeiter demonstrativ zum Telefon und erkundigte sich bei einem Reisebüro nach dem nächsten Termin zur „Rückführung“.

siehe auch SEITE 26