: Zuwanderer müssen schlucken
Kompromiss zum Zuwanderungsgesetz steht. Schily spricht von historischer Wende. Union: Zuwanderung wird klar begrenzt. Grüne und FDP stimmen zu. Integration mit Sanktionen
BERLIN taz ■ Deutschland bekommt ein Zuwanderungsgesetz. Nach der allerletzten Verhandlungsrunde zwischen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD), dem saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller (CDU) und Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) verkündeten die drei gestern eine Einigung im seit vier Jahren währenden Streit über die Ausgestaltung der Migrations- und Integrationspolitik. Die Führung der Grünen empfahl ihrer Partei, den „Kompromiss“ zu billigen.
Die gestern noch zu klärenden Details betrafen vor allem die genauen Formulierungen bei den so genannten Sicherheitsfragen und bei dem Integrationsangebot für Migranten. Möglich wurde die Einigung letztlich auch durch ein von der Regierung in Aussicht gestelltes „großzügiges Angebot“ (Schily). Der Bund erklärte sich bereit, für die bis zu 236 Millionen Euro Kosten von Integrationskursen aufzukommen – wenn es der Haushalt zulässt. Gedacht sind die Kurse sowohl für Neuankömmlinge als auch für schon hier lebende, „besonders integrationsbedürftige“ Ausländer. Schily, Beckstein und Müller bezifferten diese Zielgruppe mit „50.000 pro Jahr“.
Wer nicht teilnimmt, muss mit Sanktionen rechnen: Neuzuwanderern kann eine Verlängerung ihrer Aufenthaltsgenehmigung verweigert werden. Bereits in Deutschland lebenden Migranten wird eine Kürzung von Sozialleistungen um 10 Prozent angedroht. Außerdem soll es für die hier lebenden Migranten bei Nichtbesuch von Integrationskursen keine Verbesserung ihres Aufenthaltsstatus geben.
Was den Umgang mit Islamisten angeht, so sollen „Hassprediger“ abgeschoben werden, auch wenn sie bloß „im Hinterzimmer der Moschee“ Parolen schwingen. Mutmaßliche Terroristen können auf Grund einer „tatsachengestützten Gefahrenprognose“ ausgewiesen werden.
Schily erklärte das Ergebnis zu einer „historischen Wende in Deutschland“. Es werde anerkannt, dass es Zuwanderung nach Deutschland gebe.
Das ursprünglich von Rot-Grün geplante Punktesystem für Neueinwanderer war jedoch schon lang vom Tisch. Erleichterte Zuzugsmöglichkeiten gibt es nur für Höchstqualifizierte und Selbstständige. Beckstein sprach von einer „vorsichtigen Öffnung“ für Zuwanderer, „die unserer Volkswirtschaft nutzen“.
Die Grünen waren an den letzten Verhandlungsrunden nicht mehr beteiligt. Die grüne Bundestagsfraktion kommt heute zu Beratungen über den Gesetzentwurf zusammen. Parteichef Reinhard Bütikofer sprach gestern von „einem tragfähigen Kompromiss im Ganzen“ und fügte hinzu: „Ich bin zufrieden mit dem Ergebnis.“
Der ebenfalls am Ende ausgeschlossene FDP-Innenexperte Max Stadler freute sich, dass sowohl „grüne Fundamentalisten“ als auch „konservative Hardliner“ von Maximalforderungen Abstand genommen hätten. Das Gesetz soll bis zum 9. Juli von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden. UWI, LKW
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