: Eine Sackgasse namens Diskretion
Die Log Cabin Republicans sind eine seltsame Lobbygruppe: ein Verband schwuler Konservativer, die ihre sexuelle Orientierung bislang mehr beschwiegen als propagierten. Doch nicht länger wollen die US-Homokonservativen George Bush die Treue halten
VON AXEL KRÄMER
Das Motiv erinnert an Science Fiction-Plakate aus der Zeit des Kalten Krieges. Nur geht die Bedrohung hier nicht von Marsmenschen aus, sondern von homosexuellen Schlipsträgern in Maßanzügen, die in dieser Zeichnung so seelenlos, berechnend und geschliffen daherkommen wie der amerikanische Businessman in alten Sowjet-Karikaturen.
Wie eine Geheimwaffe zücken sie ihre Visitenkarten, die sie als Mitglieder der Log Cabin Republicans ausweisen, einer umstrittenen schwulen Splitterorganisation, die sich im letzten Präsidentschaftswahlkampf mächtig für George W. Bush ins Zeug gelegt, ja ihn sogar mit Spenden unterstützt hatte. Der in giftgrünen Lettern übers Bild laufende Schriftzug lautet: „Attack of the Homocons“ – Angriff der Homokonservativen. Drastischer könnte man das Misstrauen der amerikanischen Linken gegen den so genannten new gay conservatism wohl nicht ausdrücken als mit dieser Illustration. Vor zwei Jahren zierte sie das Cover des US-Magazins The Nation.
Anlass zur Panik gab damals der schwule niederländische Rechtspopulist Pim Fortuyn, in dem das Magazin ein böses Omen für das politische Amerika erkannte. Bei aller Hysterie klang die Theorie plausibel: Schwule und lesbische Normalspießer, hieß es in der Titelstory, kämen nur auf den ersten Blick toleranter und sensibler daher. Sie vermittelten den Eindruck, nicht wirklich konservativ zu sein, weil ihnen die Hardliner vom rechten Rand feindlich gesinnt seien – und so könnten sie ihre ablehnende Haltung gegenüber Einwanderern, ja selbst die reaktionärste Law-and-Order-Politik, mit einem unabhängigen, progressiven und freidenkerischen Etikett verkaufen. Und dies mit wachsendem Erfolg.
Indes: die Befürchtungen haben sich als unbegründet erwiesen. Von einem vorpreschenden Homokonservatismus kann in den USA keine Rede sein. Ganz im Gegenteil: Die Log Cabin Republicans, eine Interessengruppe, zu der fast ausschließlich Männer gehören, stecken in der schlimmsten Krise ihres 27-jährigen Bestehens, sie fühlen sich in die Enge getrieben, verraten und verkauft, und zwar ausgerechnet von George Bush, der ihnen im Gegenzug für ihre Unterstützung im Wahlkampf ein Versprechen gegeben hatte: Homothemen würden aus der bundespolitischen Agenda herausgehalten.
Doch es kam alles anders. Wider Erwarten erklärte Bush in aller Deutlichkeit, gleichgeschlechtliche Ehen per Verfassungszusatz verbieten zu wollen. Ein schwerer Schlag für die schwulen Lobbyisten der Republikaner.
Nicht dass sich die Log Cabins jemals für die Homoehe aus dem Fenster gelehnt hätten. Im Gegensatz zu allen anderen schwulen Interessengruppen hielten sie sich mit homopolitischen Forderungen stets zurück, und das hat sie innerhalb der Community von Anfang an zu Sonderlingen gemacht. Immer legten sie Wert auf die Feststellung, dass ihr Schwulsein nur einen kleinen Teil ihrer Identität ausmache, den sie auf keinen Fall an die große Glocke hängen wollten. Auch ihr Name, eine Anspielung auf Abraham Lincolns Geburtsort – eine Holzhütte – und damit eine Annäherung an seine Politik, macht sie nicht als schwule Bewegung erkennbar.
Nicht um schwule Emanzipation ging es ihnen, sondern um ein bescheidenes, diskretes Toleriertwerden in ihrer eigenen Partei. Und so brüsteten sie sich lieber lautstark mit Bekenntnissen zum Vaterland, mit dem Hochhalten amerikanischer Werte, unter denen Ehe und Familie bekanntermaßen eine herausragende Rolle einnehmen. Genau das macht jedoch das Dilemma der Homokonservativen aus: Mehr als alle anderen Schwulen und Lesben treibt sie der Wunsch an, zum Mainstream zu gehören, am American Dream teilzuhaben und selbst eine Familie zu gründen, kurz: ein Leben zu führen wie die meisten anderen Amerikaner auch. Was würde sie ihrem Ziel näher bringen als das gesetzlich verbriefte Recht, den Bund der Ehe einzugehen und Kinder zu adoptieren? Allerdings: Die Werbetrommel wollten und konnten sie dafür nie rühren.
Klammheimlich dürften sie Freudentränen vergossen haben, als der Oberste Gerichtshof von Massachusetts Anfang des Jahres verkündete, dass ein Verbot der Homoehe gegen die amerikanische Verfassung verstoße, ja als sich kurz darauf in San Francisco tausende schwuler und lesbischer Pärchen das Jawort gaben. Ein lange gehegter Wunsch schien in Erfüllung zu gehen, der allerdings zum politischen Engagement der Log Cabins in keinem Verhältnis steht. Nein, für die Homoehe sollten lieber die anderen Transparente schwenken und kämpferische Reden halten, irgendwie ging es ja auch ohne ihr Zutun voran. Allerdings nur bis zu jenem Tag, an dem sich Bush auf die Seite der religiösen Rechten in der Partei schlug. Und mit einer Verfassungsänderung drohte, um dem schwul-lesbischen Treiben gegen die „Ehe als heilige Institution zwischen Mann und Frau“ endlich Einhalt zu gebieten.
Wie ein heilsamer Schock muss das auf die Log Cabin Republicans gewirkt haben. Erstmals in ihrer Geschichte raffen sie sich nun auf, gegen die Parteioberen zu rebellieren, nachdem sie in den vergangenen Jahren eine Demütigung nach der anderen über sich ergehen ließen. Wie etwa vor acht Jahren, als sie den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Bob Dole mit einer Spende unterstützten und dieser den Scheck erst dankbar annahm, ihn dann aber zurückschickte, nachdem die Presse davon Wind bekommen hatte.
„Könnt ihr mir bitte erklären, was ihr in einer Partei zu suchen habt, die euch immer und immer wieder zurückweist?“, so der Tenor von zahlreichen E-Mails und Briefen, mit denen die Log Cabins tagtäglich bombardiert werden. Bislang war es eigentlich auch kein Wunder, dass sie in der schwul-lesbischen Community im Ruf standen, nicht nur unterwürfig, sondern durch und durch masochistisch zu sein.
Doch jetzt, da sie sich von Bush hängen gelassen fühlen, sind die Log Cabins offenbar zum ersten Mal bereit, für ihre sexuelle Orientierung die Messer zu wetzen und sich innerhalb der Partei zur Wehr zu setzen. So sprach die Washington Post von einem „dramatischen Bruch mit dem Präsidenten“, und in der New York Times war die Rede von einem „Kulturkampf“ mit der religiösen Rechten, die „vom Thema Homosexualität mehr besessen zu sein scheint als wir“, wie ein Mitglied zitiert wird.
Für eine TV-Kampagne gegen die geplante Verfassungsänderung trommelten die Log Cabins in kürzester Zeit eine Million Dollar zusammen. Heraus kam dabei ein 30-Sekunden-Clip mit einem nicht ganz aktuellen O-Ton von Vizepräsident Dick Cheney, der sich vor Jahren mal zum Thema geäußert hatte. „Wir leben in einer freien Gesellschaft“, hört man ihn sagen. „Freiheit bedeutet Freiheit für alle. Jedem sollte es freistehen, die Beziehung einzugehen, die er sich wünscht.“ Bilder von der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, von Frauen- und Männerpaaren flimmern über den Bildschirm. Die Botschaft ist defensiv. Aber sie kommt an, auch wenn die Worte „schwul“ und „lesbisch“ nicht vorkommen – wiederum typisch für die zwanghaft um Diskretion bemühten Homokonservativen.
Das Medienecho auf die Kampagne war überwältigend. Kaum eine der großen Zeitungen in den USA, die nicht darüber berichtete. Auch innerhalb der Szene ist den Log Cabins damit ein Coup geglückt, hat ihnen der Konflikt doch die Gelegenheit gegeben, sich vom Image der folgsamen Muttersöhnchen zu lösen und ihr Profil zu schärfen. Patrick Guerriero, Vorstand der Log Cabins, wusste dem Szenemagazin Dallas Voice gar von einer Verdopplung der Mitgliederzahlen seit Bushs Äußerungen zu berichten. Nächstes Ziel ist es nun, die zahlreichen schwulen Mitarbeiter der Regierung in Washington zu mobilisieren, deren Homosexualität bislang nicht öffentlich bekannt ist.
Die Chancen, dass viele von ihnen ihr politisches Coming-out wagen werden, stehen nicht schlecht, denn die meisten spüren erstmals, dass es nicht allein um die Homoehe, sondern um etwas Existenzielles geht. In der Washingtoner Zentrale der Log Cabin Republicans hofft man indes fieberhaft, Bushs geplante Verfassungsänderung doch noch abwenden zu können. Sollten die Log Cabins mit ihrer Mission scheitern, wollen sie die Wiederwahl ihres Präsidenten auf keinen Fall unterstützen.
Bush könnte das weitaus mehr als jene schätzungsweise eine Million Wählerstimmen kosten, die er bei der letzten Wahl von Schwulen und Lesben erhalten hat. Meinungsforscher glauben, dass auch die Stimmen vieler Wechselwähler auf dem Spiel stehen, die Homosexuellen nicht unbedingt die gleichen Rechte zubilligen wollen, denen der wachsende Einfluss der religiösen Rechten mit ihrer fundamentalistischen Rhetorik aber dann doch zu weit geht. Laut einer repräsentativen Umfrage der Washington Post gibt es derzeit für eine Verfassungsänderung zuungunsten der Homoehe jedenfalls keine Mehrheit. Für eine zugunsten der Homoehe allerdings auch nicht, denn in konservativen Kreisen hegt man immer noch große Vorbehalte gegen sie – nicht zuletzt, weil man dort kaum Schwule und Lesben kennt, die selbstbewusst dafür eintreten würden.
Kein Wunder, denn unter Homokonservativen galt bislang die Devise, mit der eigenen Sexualität so diskret umzugehen, dass sie der Umgebung möglichst nicht auffällt. Immerhin das wird sich in Zukunft wohl ändern.
AXEL KRÄMER, geboren 1966, lebt als freier Autor in Berlin