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Archiv-Artikel

Kranke Kinder drohen

Gymnasien-Elternräte fordern von Bürgermeister Ole von Beust Stopp der Schulzeitverkürzung. Nachmittagsunterricht bedeute Überforderung

von Kaija Kutter

Elternräte von zwölf Hamburger Gymnasien haben gestern im Rathaus an den Bürgermeister appelliert, er möge die Schulzeitverkürzung stoppen. Die Schüler der neuen 7. Klassen sollen nach den Ferien dreimal in der Woche acht Stunden Untericht haben. In der 8. Klasse sind bis zu 37 Wochenstunden vorgesehen. In der 6. Klasse wurde der Stoff bereits für diesen Schülerjahrgang verdichtet und der Stundenplan erhöht.

„Unsere Kinder sind total überfordert“, sagt Brigitte Eggers vom Gymnasium Blankenese. „Um welchen Preis bekommen unsere Kinder ein Jahr früher ihr Abitur?“ Während ihr älterer Sohn noch Zeit habe, nachmittags Fußball zu spielen oder einen Liedtext auszudenken, komme dies für ihren jüngeren Sohn in der 6.Klasse nicht in Frage.

„Die Lehrer nehmen nach einem Dreivierteljahr das Lateinbuch weg, weil der Stoff durch sein muss. Und nachmittags wundern sich die Psychiater in Blankenese, warum sie aus diesem Jahrgang soviel Zulauf bekommen“, beobachtet der Vater Klaus Kamlah vom Christianeum. Seine Frau Christine hat recherchiert, dass andere Bundesländer, etwa Baden-Württemberg und Niedersachsen, das 8-jährige Abitur mit weniger Stunden umsetzen und mit den gehäuften Stunden erst ab Klasse 9 beginnen. „Wir haben die Behörde gefragt, warum Hamburg das nicht auch macht. Es hieß, die Stunden in der Oberstufe sind zu teuer“, berichtet Dieter Neukirch vom Gymanium Rissen, der von einer „rein betriebswirtschaftlichen“ Sicht spricht.

Als „Entmündigung“ empfinden es die Elternräte, dass auf einen Schlag alle 67 Hamburger Gymnasien zur Ganztagsschule gezwungen werden. Ein Schritt, der, wie Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (parteilos) jüngst öffentlich erklärte, nötig sei, „um die finanzielle Basis zu erhalten“. Gemeint sind damit die 66 Millionen Euro des Bundes für den Ausbau von Ganztagschulen. „Es kann nicht sein, dass Küchengelder von Frau Bulmahn die Zukunft aller Gymnasien bestimmen“, empört sich die Initiatorin des gemeinsamen Aufrufs, Mariele Kirsch. „Wir kämpfen für eine Vielfalt von Halbtagsschulen und Ganztagsschulen.“

„Wir in den Elbvororten kriegen Geld, das wir nicht wollen, und anderen wird es genommen“, ergänzt Klaus Kamlah, der bemängelt, dass es an der Spitze der Bildungsbehörde ein „Vakuum“ gebe und die Senatorin die Zuständigkeit für die Gymnasien an einen leitenden Beamten delegiert habe.

Deshalb soll Bürgermeister Ole von Beust nun dafür sorgen, dass die Reform ausgesetzt, die Lehrpläne entrümpelt und die Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur später und mit der niedrigst möglichen Stundenzahl gestartet wird. Sollte nichts geschehen, erwägen die Eltern einen Streik. „Wir werden im neuen Schuljahr vier Wochen lang beobachten“, erklärt die Mutter Evelin Mosebach vom Gymnasium Altona. „Wenn unsere Kinder psychisch überlastet sind, nehmen wir sie nach der 6. Stunde raus.“