: Luxus des Selbstverständlichen
Wie wenig normal Homosexualität sein kann, hat eine Bremerin hautnah erfahren. In Managua hat sie Lesben gesucht. Das Thema ist dort „ein totales Tabu“
„Ich hab nichts zu verlieren“, hat Imke (Foto) gedacht, als sie im Internetcafé in Managua die zwei Frauen traf. Also hat sie sie angesprochen. Vorsichtig nach Lesbentreffs gefragt. „Ich hatte die beiden schnell als Lesben erkannt.“ Aber Imkes Frage kam nicht gut an. „Sie waren erstmal sehr vorsichtig.“
Wie anders Frauen in Nicaragua mit ihrer Homosexualität umgehen oder umgehen müssen, hat Imke intensiv erfahren. Mehrere Monate hat die 29-jährige Studentin aus Bremen in einem Bildungsprojekt in Nicaragua gearbeitet – die meiste Zeit in Waslala, einem 5.000-Seelen-Ort im nördlichen Bergland Nicaraguas. Ab und an aber ist Imke in die Hauptstadt Managua gegondelt. Die ist gut 200 Kilometer von Waslala entfernt. Der Bus braucht sieben bis acht Stunden über die zum Teil unbefestigten Straßen – „das war kultig“, sagt Imke, „ich war Teil dieser wippenden, schaukelnden Masse.“ Kinder saßen auf ihrem Schoß, Hühner guckten ihr über die Schulter – und anders als in Waslala war die junge Frau mit der hellen Haut und den blonden Haaren nicht mehr Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern Teil einer Gemeinschaft.
In Managua suchte sie dann nach der Frauenszene. Mit jenen beiden, die sie angesprochen hatte und die sie zu den raren Treffs mitnahmen, wo auf das unvermeidliche „I will survive“ ebenso getanzt wird wie zu Merengue und Salsa.
Lesbischsein ist in Nicaragua „ein totales Tabu“, erzählt Imke, „die Frauen leben in ihren Ursprungsfamilien, oft haben sie Kinder.“ Manchmal lebt die Freundin mit in der Familie. Imke: „Solange es nicht ausgesprochen wird, wird es mitgetragen.“
Die Geschlechterrollen sind in dem streng katholischen Land traditionell definiert und werden auch nach außen so gelebt: Frauen geben sich weiblich, das gilt auch für Lesben. Feministisch-politische Initiativen gibt es kaum. Aktivitäten oder Initiativen für Frauen zielen auf Mütter in allen Variationen. Ein lesbisches Paar, das offen lebt, habe sie kennengelernt, erzählt die Bremerin. Die seien zwar akzeptiert, aber dennoch mit Distanz behandelt worden. „Und mit ihren Familien haben sie natürlich gebrochen.“
Nicht so die Frauen, die Imke die Frauenwelt Managuas gezeigt haben. Gerne würde sie sich bei ihnen revanchieren. Ihnen ihre Welt zeigen, in der „meine lesbische Indentität ganz selbstverständlich ist.“ Imkes Fazit: „Mir ist jetzt nochmal bewusst geworden, wie selbstverständlich ich auf Räume und Strukturen zurückgreife, die andere zuvor erkämpft haben.“ sgi