: Beratung von Imam und Polizei
Polizei und Moscheevereine tun sich erstmals zusammen, um an auf- und straffällige Jugendliche heranzukommen. Ähnliche Projekte laufen bereits in Essen und Stuttgart
Der Anblick wird ungewohnt sein: Ein Polizeibeamter in Uniform und der Imam eines Moscheevereins sitzen gemeinsam beim Tee und beraten auf Türkisch die Eltern eines Jungen, der in die Kriminalität abzurutschen droht. So könnte ab kommenden Donnerstag eine Beratung aussehen, die zweiwöchentlich in Neukölln angeboten wird.
Erstmals haben sich in Berlin Polizei und Moscheevereine zusammengetan, um an auf- und straffällige Jugendlichen nichtdeutscher Herkunft heranzukommen. „Zunächst wollen wir Vertrauen schaffen“, sagte Jürgen Klug, Leiter der Polizeidirektion 5, am Donnerstagabend bei der Auftaktveranstaltung des Projekts in der Neuköllner Richardstraße, wo auch die Beratung stattfinden wird.
Hier hat kürzlich die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) einen Gebäudekomplex erworben und selbst das Hinterhaus bezogen. Im Dachverband Ditib, einer Gründung des türkischen Staates, sind unter anderem elf Moscheevereine organisiert. Ditib und die traditionell-konservativ ausgerichtete Türkische Gemeinde sind die beiden Partner der Polizei, die mit der Direktion 5 (Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln) vertreten ist.
Die Beratung und damit einhergehende Fortbildungen in der Polizei sind Teil des Projekts Transfer interkultureller Kompetenz (TiK), das bundesweit Modellversuche zur interkulturellen Öffnung der Verwaltung durchführt. Es wird von der Bundeszentrale für politische Bildung finanziert. In Stuttgart und Essen gibt es ähnliche Projekte.
Bedarf für die neue Beratung scheint es zu geben: Seitdem die türkischen Vereine Flyer mit dem Angebot verteilen, kämen täglich 30 bis 40 Anfragen, sagte der Präsident der Türkischen Gemeinde, Taciddin Yatkin. Dabei gehe es um Schulschwänzen, Kaufhausdiebstähle, Drogen, Waffen und Schlägereien. „Von solchen Problemen hören wir fast jeden Tag“, so Yatkin.
Bei der Auftaktveranstaltung in den Ditib-Räumen, an der vor allem uniformierte Polizisten und ältere türkische Männer teilnahmen, ging es jedoch zögerlich zu: „Die Hemmschwelle ist noch groß“, sagte Ditib-Sekretär Ali Gülcek. Doch einige Männer waren erstaunlich offen. „Wir müssen über Zerwürfnisse in den Familien reden, wo man sich nach 20, 30 Jahren nichts mehr zu sagen hat“, forderte ein älterer Mann. „Das darf nicht länger Tabu sein.“ Und ein junger Deutschtürke mit Basecap betonte: „Der Identifikationsverlust ist das Hauptproblem.“
„Wir werden nicht für jedes Problem sofort eine Lösung finden“, gab daraufhin Jörg Splettstöhser, der Leiter des Polizeiabschnitts 54, zu bedenken. „Und die Polizei ist ja auch nicht für alles zuständig.“ Aber wo es geht, werde man die Ratsuchenden an Stellen vermitteln, die weiterhelfen können. SABINE AM ORDE