piwik no script img

Archiv-Artikel

Der Mittelständler für die Wende beim BDI

Der bisher unbekannte, aber sehr erfolgreiche Unternehmer Jürgen Thumann soll Cheflobbyist der Industrie werden

BERLIN taz ■ Schmale Lippen an der Spitze des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) sind die Mitglieder schon von ihrem Allzeit-Expräsidenten Hans-Olaf Henkel gewohnt. In Dünnlippigkeit steht Jürgen Thumann, Kandidat für den BDI-Chefsessel, seinem polarisierenden Vorvorgänger in nichts nach. Doch anders als der eloquente Henkel ist Thumann bisher in der Öffentlichkeit nicht aufgefallen, seine seltenen Reden wirken ungelenk und langatmig.

Allerdings ging es dem amtierenden BDI-Präsidenten Michael Rogowski offensichtlich nicht um das große Wort, sondern um die inhaltliche Arbeit, als er den Unternehmer Thumann als Nachfolger vorgeschlagen hat. Der BDI hat sich – auch angesichts seiner Mitglieder – darauf besonnen, dass der Mittelstand das Rückgrat der Wirtschaft ist. Die Zeit der großspurigen Manager aus der Großindustrie war gut für die Neunzigerjahre, jetzt ist wieder die solide Arbeit eines Familienunternehmers gefragt.

Dafür ist Jürgen Thumann der ideale Kandidat. 1941 im westfälischen Schwelm geboren, übernimmt er schon mit 19 Jahren das Stahlunternehmen seines verstorbenen Vaters. Wenige Jahre später geht er zum Stahlverarbeiter Hille & Müller nach Düsseldorf, wird dort persönlich haftender Gesellschafter und verkauft das Unternehmen schließlich an den niederländischen Hoogovens-Konzern.

Wieder frei für das selbstständige Unternehmertum, gründet Jürgen Thumann 1978 mit seinem Cousin Engelbert Heitkamp einen Betrieb für Stahl- und Kunststoffverarbeitung. Heitkamp &Thumann ist heute ein wichtiger Zulieferer für die Automobilindustrie und ein bedeutendes Familienunternehmen, das seinen Sitz an der noblen Düsseldorfer Königsallee hat. Thumann beschäftigt über 2.000 Mitarbeiter im In- und Ausland und setzt geschätzt 300 Millionen Euro im Jahr um.

Thumann weiß nicht nur, welche Wirtschafts- und Steuerpolitik gut für den Mittelstand ist, er kennt sich auch mit der Politik von Verbänden aus: Seit 2001 sitzt er der Deutschen Reiterlichen Vereinigung vor – einem Dachverband von über 7.000 Reitvereinen mit 740.000 Mitgliedern. Thumann ist selbst passionierter Reiter und hat mit seinem Vierspänner schon den dritten Platz bei einer Deutschen Meisterschaft eingefahren.

Im BDI ist er seit einigen Jahren Präsident des Wirtschaftsverbands Stahl- und Metallverarbeitung und Vizepräsident der mächtigen Industrievereinigung. Dort gilt er als zurückhaltend, was für den Berliner Medienbetrieb ungünstig sein kann, um politische Forderungen nach einer unternehmerfreundlicheren Arbeitsmarkt- und Steuerpolitik durchzusetzen. Auffallend ist jedoch, dass Thumann bislang nicht nur die Politik zum Handeln aufgefordert hat. Er treibt auch die Unternehmer an: Der industrielle Mittelstand solle nicht klagen, sondern sich den „neuen Verhältnissen in sich ändernden Märkten aktiv stellen und seine Strategie danach richten“. ULRIKE FOKKEN