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Archiv-Artikel

24 Stunden Propaganda

Vorbild al-Dschasira: Die kommunistische Partei in China will mit einer Medienoffensive ihr Imageproblem lösen. Mit viel Geld und neuem Fernsehsender – aber ohne freie Berichterstattung

„Kommunismus“ und „Unterdrückung“ wurden aus Obamas Rede gestrichen

VON SVEN HANSEN

Mit der traditionellen Gala zum chinesischen Neujahrsfest am Sonntagabend dürfte Chinas Zentralfernsehen CCTV wieder landesweit 700 Millionen Zuschauer erreicht haben. Die Familiensendung von CCTV 1 ist die meist gesehene Fernsehshow der Welt. Doch außerhalb der Volksrepublik und chinesischer Kreise in Übersee sind Einfluss wie Reichweite von Chinas Medien gering. Das will die Regierung in Peking jetzt mit einem massiven Ausbau chinesischer Auslandsmedien ändern. Ziel ist es, Chinas Image zu verbessern und seinen globalen Einfluss zu vergrößern. Peking wünscht sich einen globalen TV-Sender so einflussreich wie al-Dschasira.

Für die Anfang Januar verkündete Expansion chinesischer Auslandsmedien sollen bis zu 45 Milliarden Yuan, rund fünf Milliarden Euro, bereitstehen. „Wir müssen danach streben, einen erstklassigen globalen Medienarm aufzubauen, der die ganze Welt abdeckt und mehrsprachig ist, der eine große Zuschauerzahl und viele Informationen hat und sehr einflussreich ist“, sagte der in Chinas Kommunistischer Partei (KP) für die internationale Propaganda zuständige Wang Chen laut der amtlichen Agentur Xinhua („Neues China“).

Das Zentralfernsehen CCTV, dessen spektakuläre neue Zentrale erst im September eröffnet worden war, hat seit Jahren einen englischsprachigen Kanal. Seit Sommer 2008 sendet CCTV auch in Französisch und Spanisch. Im September soll ein russisches und arabisches Programm hinzukommen, für die momentan Journalisten gesucht werden.

Die größte Neuerung wird Xinhua betreffen. Die der KP-Propagandaabteilung unterstehende Agentur soll einen globalen englischsprachigen 24-stündigen TV-Nachrichtensender aufbauen. Zudem soll die Agentur, die bisher Büros in rund 100 Staaten hat, sich auf 186 Länder ausbreiten. Und die nationalistische Huanqiu Shibao („Global Times“), ein Boulevardableger des Parteiorgans Renmin Ribao („Volkszeitung“), soll neben der China Daily ab Mai als zweite englischsprachige chinesische Tageszeitung weltweit erscheinen. Zurzeit werden 60 Englisch-Muttersprachler für die Redaktion gesucht. Sie sollten „Teamplayer“ und „kreativ“ sein und „dynamische Überschriften“ entwickeln sowie „Artikel komplett umschreiben“ können.

Mit der Medienoffensive reagiert China auf die Imageprobleme vom vergangenen Jahr. Hätten die Olympischen Spiele in Peking der Welt eigentlich die frohe Botschaft von Chinas erfolgreichem Aufstieg vermitteln sollen, so vermasselten die Unruhen in Tibet und die Proteste beim Fackellauf, die anhaltende Menschenrechtsdiskussion wie auch der Skandal um verseuchtes Milchpulver den erhofften Imagegewinn.

Weil Peking die China-Berichterstattung westlicher Medien negativ wahrnimmt, sollen eigene Medien jetzt global gegensteuern. Die Medienoffensive ist dabei in einer Reihe mit dem weltweiten Aufbau von Konfuzius-Instituten zu sehen, die chinesische Sprache und Kultur vermitteln. Beide Initiativen sind Zeichen, dass Peking im Ringen um Macht und Einfluss auch auf Soft Power setzt.

„CCTV träumt schon seit fast zwanzig Jahren von einer globalen Expansion“, sagt Wang Handong, Professor für Journalismus und Kommunikation an der Universität der zentralchinesischen Stadt Wuhan, zur taz. „Zweifellos hat China heute dafür das Geld und die Technologie.“ Doch der Erfolg hängt laut Wang davon ab, ob Chinas Medien im Alltag als unabhängig oder als Propagandawerkzeuge wahrgenommen werden: „Sobald Chinas Medien ihre Einseitigkeit zeigen, geht der Effekt nach hinten los.“

Mit der Zensur der Antrittsrede von US-Präsident Barack Obama bestätigen Xinhua und CCTV die Befürchtungen. Kaum sagte Obama während der Live-Übertragung das Wort Kommunismus, setzte CCTV aus und wandte sich an einen verdutzten Experten im Studio, der Obamas Wirtschaftsprogramm kommentieren sollte. Auch Obamas Satz, dass die Regime Verlierer der Geschichte seien, die sich durch Unterdrückung der Opposition an die Macht klammerten, wurde weggelassen. Aus Obamas Satz, frühere Generationen hätten „Kommunismus und Faschismus nicht nur mit Raketen und Panzern, sondern auch mit stabilen Bündnissen und bleibenden Überzeugungen niedergerungen“, entfernte Xinhua den Kommunismus. Ein Regierungssprecher rechtfertigte dies als „Wahrnehmung redaktioneller Rechte“.

Eine Woche zuvor hatten 22 chinesische Intellektuelle zum Boykott von CCTV aufgerufen. Sie warfen dem Sender „Gehirnwäsche“ vor, überwiegend positiv über China und negativ über das Ausland zu berichten, Nachrichten über Proteste in China zu unterdrücken und sich kommerziellen Interessen zu beugen. Auch kritisierten sie die vielen Historiendramen, in denen Loyalität zur Obrigkeit betont werde. Wie erwartet berichtete CCTV über den Boykottaufruf nicht.

Ein westlicher Journalist, der für ein chinesisches Auslandsmedium arbeitet und ungenannt bleiben möchte, kommentierte gegenüber der taz: „Der größte Propagandacoup der KP wäre die völlige Freizügigkeit der Presse.“