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Archiv-Artikel

David Kelly und die 45 Minuten

Hintergrund eines Todesfalls: Wie der Irakstreit zwischen Blair und BBC eskalierte

Von D.J.

BERLIN taz ■ Der Tod des britischen Regierungsberaters David Kelly ist der vorläufige Höhepunkt einer Kontroverse zwischen Großbritanniens Regierung und dem Staatssender BBC über die Hintergründe eines umstrittenen Irakdossiers der britischen Regierung vom September 2002. In diesem Dossier stand, Iraks Regierung könne innerhalb von 45 Minuten Massenvernichtungswaffen einsetzen.

Am 29. Mai berichtete BBC-Verteidigungskorrespondent Andrew Gilligan im Morgenrundfunk, eine hochrangige Quelle habe ihm gesagt, das Dossier sei von der Regierung bewusst zugespitzt („sexed up“) worden. In einem Zeitungsartikel legte Gilligan am 1. Juni nach: Alastair Campbell, Chefsprecher von Premierminister Tony Blair, habe den Satz über 45 Minuten in den Bericht hineingeschrieben.

Daraufhin beschäftigte sich der außenpolitische Ausschuss des britischen Unterhauses mit dem Thema. Am 25. Juni bestritt Campbell vor dem Ausschuss Gilligans Bericht. Am 7. Juli gab der Ausschuss in seinem Untersuchungsbericht Campbell in diesem Punkt Recht. Die Regierung verlangte vom BBC, seine Quelle offen zu legen. Am 9. Juli nannte das Verteidigungsministerium Kelly als Gilligans Quelle. Kelly wurde am 15. Juli vor den Parlamentsausschuss zitiert. Er bestätigte ein Treffen mit Gilligan, meinte aber, aus dem Gespräch könne er nicht erkennen, die Quelle gewesen zu sein. Er bestätigte indirekt Vermutungen, unter Druck zu stehen, sich als Quelle nennen zu lassen.

BBC-Journalist Gilligan erschien am 17. Juli vor dem Ausschuss in nichtöffentlicher Sitzung, wo er verneinte, dass Kelly seine Quelle gewesen sei. Davon konnte Kelly nichts mehr wissen. Am gleichen Nachmittag ging er spazieren – und kehrte nicht mehr lebend zurück. D.J.