Verschwindende Bilder

Von Fotografien aus den frühen Achtzigerjahren bis zu aktuellen Gemälden: Eine Ausstellung in der Neuen Pinakothek München zeigt einen Querschnitt durch das Werk des Belgiers Luc Tuymans

Passionsgeschichte, Holocaust: Häufig hantiert Luc Tuymans mit schweren Topoi

von RICHARD RABENSAAT

Fickende Affen. Es lässt sich nicht leugnen, der Maler malt fickende Affen. Er zeigt keinen furiosen, wilden, animalischen Fick, sondern zwei bleiche, zu Schemen verschwimmende Körper. Aneinander gepresst tauchen die Figuren wie zwei Stücke Holz in dem Scheinwerferlicht auf, das die sie im Bild umgebende Dunkelheit durchdringt.

Freudlos, tot scheinen sie – genauso erkaltet wie die bleichen Apostelfiguren aus dem Zyklus „The Passion“ (1999), die der belgische Maler Luc Tuymans einem Prospekt der Passionsspiele von Oberammergau aus den 1970er-Jahren entnahm.

Neben „Petrus und Paulus“ und der „Kreuzigung“ hängt auch „Judas“ im zentralen Ausstellungsraum der Münchener Pinakothek der Moderne, die Tuymans eine Werkschau widmet. Titelgebend für die Schau „The Arena“ war ein Bild des Belgiers, in dem er über eine gemalte Menschengruppe verschiedene Lagen von Transparentpapier schichtete, bevor er das dadurch verschwimmende Bild mit einem Holzkasten rahmte. Der Betrachter versucht unwillkürlich das Geschehen zu entziffern, scheitert jedoch, denn die Schichten lassen nur Schemen erkennen.

Doch es handle sich nicht um verschwommene, unscharfe Bilder, beteuert der Autor Philippe Pirotte im Katalog zur Ausstellung. Es gehe vielmehr um eine äußerst präzise, reduzierte Form von Bild. Tatsächlich ist die Reduktion eines der herausragenden Stilmerkmale des Documenta-Teilnehmers Luc Tuymans, der selbst sagt, „um etwas zu zeigen, male ich viel weg“. Bernhart Schwenk, Kurator an der Pinakothek der Moderne, stellt denn auch fest: „Die Bilder formulieren eine Gegenständlichkeit, der alle körperliche Präsenz genommen ist.“

Das gilt auch für die Polaroids und Filmstills von Tuymans, die in München zu sehen sind. Die Reproduktionen dienen ihm als Arbeitsvorlage, erheischen aber auch eigenständige Bedeutung. Die Fragen nach der Abbildbarkeit des Gesehenen und der Vermittelbarkeit des Dargestellten sind aber nicht nur das Thema der aktuellen Werkschau, sondern das Generalthema des Künstlers.

Beispielhaft steht dafür die Arbeit „Slide #1“, die ein Bild im Bild zeigt, dessen reine weiße Fläche vom Licht einer leeren Diaprojektion zu kommen scheint; zu sehen ist also das abwesende Bild. Auch die kopulierenden Affen spekulieren weniger in Hinsicht auf ihr loses Tun auf die Aufmerksamkeit des Betrachters. Vielmehr bieten sie Anlass zur Reflektionen über die Reproduktion eines schon existierenden Bildes, denn als Vorlage diente das Foto eines Naturdioramas im Museum.

Ebenso wichtig wie die von Tuymans thematisierte Phänomenologie der Wahrnehmungsgewohnheiten sind jedoch die Themen der Bilder. „Ohne einen Inhalt oder irgendwie eine Bedeutung kann ich nicht malen“, behauptet Tuymans. Häufig hantieren seine Arbeiten mit schwergewichtigen zeitgeschichtlichen Topoi. Die Leidensgeschichte Christi ist ebenso vertreten wie Nationalsozialismus und Holocaust.

Die ausgebleichte Farbigkeit seiner zumeist mittelformatigen Tafelbilder lässt erst gar nicht den Verdacht aufkommen, Tuymans wolle die vom Foto abgemalte Realität einer eigenen Interpretation unterziehen. Die Bilder sind flach und wollen wohl auch nichts anderes sein. Bedeutung erwächst ihnen im Gesamtwerk Tuymans, das sich in Werkfolgen wie etwa „The Heritage“ (1995/96) den Problemen der US-Gesellschaft oder wie bei „Mwana Kitoko – Beautiful White Man“ (2000) der belgischen Kolonialvergangenheit zuwendete und sich so zu einem politischen und zeitgeschichtlichen Kommentar verdichtet.

Trotz der geschichtsträchtigen Themen liegt dem Maler jedoch jeder didaktische Impetus fern. Ein Porträt des NS-Schergen Heydrich versieht er mit einer Sonnenbrille und macht das Gesicht auf diese Weise unkenntlich. Auch den anderen Bildern aus der Serie „Die Zeit“ (1988) auf denen ein Dorfplatz, leere Regale und zwei Tabletten zu sehen sind, ist ihr thematischer Bezug auf die NS-Zeit zunächst einmal nicht anzusehen. Ob Tuymans mit der farblich reduzierten, kleinformatigen Bildserie tatsächlich eine „Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus“ leistet, wie der Kurator Stefan Berg meint, mag der Betrachter entscheiden.

Die Ausstellung „Luc Tuymans – The Arena“ ist bis zum 17. August in der Pinakothek der Moderne zu sehen, Saal 21. Katalog (Hatje Cantz): 20 €