heute : Lesung: Meine freie deutsche Jugend
Was gab es nicht für eine kunstvolle Literatur in der DDR. Man denke nur an Stephan Hermlin, Christa Wolf oder Heiner Müller. Ihre Sprache war elegant, ihr Spiel mit antiken Mythen virtuos und ihre Realitätsferne beeindruckend. Aber man konnte ja die ganze Kritik an Staat, Mangelwirtschaft und Bespitzelung zwischen den Zeilen lesen. Nur wenige Künstler und Intellektuelle wagten wirklich, die realsozialistische Politik zu attackieren, allen voran Wolf Biermann und Robert Havemann. Ihnen machte dafür die Stasi das Leben schwer, manchmal zur Hölle. Und wehe denen, die ihnen eng verbunden waren – so wie Claudia Ruschs Mutter. Da sie zu den engsten Freunden von Katja und Robert Havemann zählte, wurde sie gleich mal ein bisschen mit überwacht. Und die kleine Claudia auch. Seit ihrem fünften Lebensjahr, also kurz nach der Ausbürgerung Biermanns, horchten und guckten die Stasiler und ihre Informellen Mitarbeiter kritisch, was sie machte – selbst wenn sie nur ihre Großmutter vom Bus abholte. Stoff genug also für viele groteske, manchmal melancholische Geschichten, die Claudia Rusch in ihrem Buch erzählt. Das macht sie zum Glück viel lustiger und schwungvoller als jüngst Jana Hensel. Die Zone war eben keineswegs nur grau. DAH