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Archiv-Artikel

Sarrazin ist eine Gefahr für Kinder

betr.: „Acht Stunden Verwahrung“ (Interview mit Finanzsenator Thilo Sarrazin, taz vom 18. 7. 03

Wenn Sarrazin den ErzieherInnen mangelnde Effizienz vorwirft, weil diese den Kindern keine Märchen vorlesen und sie stattdessen „nur“ spielen lassen, und das laut Sarrazin die Ursache für die Sprachstörungen vieler Kinder ist, dann vergisst Sarrazin den Grund für das wenige Vorlesen: die vom Berliner Senat erhöhte Gruppenstärke von 18 auf 24 Kinder. Schon mit 18 Kindern pro ErzieherIn ist eine vernünftige pädagogische Arbeit nicht mehr zu gewährleisten; bei 24 Kindern gibt es leider nur noch die Option der „Verwahrung“.

Dass die Kinder „verwahrt“ werden, hat Sarrazin richtig erkannt. Was er aber total ausblendet: Er ist mit seinen Einsparungen im Kitabereich hauptverantwortlich für diese Misere. Sarrazin ist so gesehen eine Gefahr für alle Berliner Kinder, weil er Strukturen schafft, unter denen Kinder nicht mehr gefördert werden können. Seine jetzigen Äußerungen sind nicht nur unverantwortlich; sie sind auch ein Zeugnis dessen, dass er nur Buchhalter, und kein Pädagoge ist, und Buchhalter sollten sich nicht in die Kindererziehung einmischen. Sarrazins Bemerkungen sind eher politisch zu verstehen. Durch seine Attacke auf die ErzieherInnen will er eine Diskussion über die negativen Auswirkungen einer erhöhten Gruppenstärke gar nicht erst aufkommen lassen. Denn wenn darüber diskutiert werden würden, stünde auch seine Politik zur Debatte. ALEXANDER BECK-RATZKA

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