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Archiv-Artikel

„Alle wollen alles“

Martina Richter, Programmleiterin des NRW-Medienforums, das heute startet, über Sender, Zukunfts-TV und klein geschriebene Kreativität

INTERVIEW STEFFEN GRIMBERG

taz: Frau Richter, wie viele Filme aus der Top-Ten-Reihe der Cologne Conference, des Fernsehfests im Rahmen des NRW-Medienforums, haben eine realistische Chance, ins deutsche Fernsehen zu kommen?

Martina Richter: Verkauft ist bisher nur ein Programm – an Premiere. In Großbritannien sehr erfolgreiche Programme wie „England Expects“, das auch bei der Cologne Conference lief, sind für den deutschen Markt wohl zu britisch. Internationale Fiction-Produktionen haben im deutschen Fernsehen generell an Bedeutung verloren. Was funktioniert, sind Entertainment und Showformate.

Woran liegt das?

Die deutschen Sender setzen schon seit einigen Jahren klar auf TV-Fiction made in Germany. Das hat die deutschen Produktionsfirmen angestachelt, sich durchaus internationale Programme anzuschauen. Aber eher als Inspiration, oder zum Nachbauen. Und sie haben viel gelernt: Man ist längst weg von der ewigen Comedy und setzt sich jetzt beispielsweise sehr seriös mit der jüngeren deutschen Zeitgeschichte auseinander. Und das sogar mit guten Drehbüchern.

Warum laufen große internationale Erfolge wie „24“ oder „Six Feet Under“ in Deutschland fast nur im Privatfernsehen und dort nicht auf RTL, Sat.1 oder Pro 7, sondern bei den Kleinen wie Vox oder RTL 2?

Für die Hauptsender ist nicht mehr so sehr die Serie Königsdisziplin. Sie setzen eher auf Events und Entertainment. Und da wird ja weiter geholt, was international erfolgreich ist – wie „Wer wird Millionär?“ oder „DSDS“.

Die Öffentlich-Rechtlichen spielen dabei nur am Rande mit: Sie ahmen internationale Trends erst dann nach, wenn die bei den Privaten schon erfolgreich waren …

… und das ist nicht wirklich gut. ARD und ZDF haben doch Stärken: Was da für hochkarätige Fernsehspiele entstehen, auch etwa in Zusammenarbeit mit Arte. Aber die zeigen sie dann gerne mal später am Abend und eifern vorher dem großen Programmtrend nach, der nur gar nicht ihre wirkliche Kompetenz ist. Und auch nicht ganz ihrem Programmauftrag entspricht.

Aber auch das gilt nur für Entertainmentformate. Internationale Fiction gibt es bei ARD und ZDF kaum noch.

Sie versuchen es schon. Aber sie müssten dafür Sendeplätze behutsam etablieren, die sich auch wiederfinden lassen. Das ist unbedingt nötig, wenn man die Zielgruppe für solche Programme langfristig erreichen will, klappt aber nicht, weil jeder Rückschlag nach wenigen Folgen sofort den Stopp bedeutet.

Es gibt aber doch auch die dritten Programme der ARD …

Auch die haben sich von ihrem eigentlichen Auftrag entfernt: Sie sind weniger Regionalprogramme als häufig eine erweiterte Verwertungskette der ARD. Bei der Vielfalt von öffentlich-rechtlichen Sendern, die es gibt, müsste man eigentlich eine strikte Programmdefinition vornehmen: Wer ist konkret für was zuständig? Hier liegt ja das Hauptproblem im deutschen Fernsehen, auch bei den Privaten: Das immer alle alles machen wollen.

Was bedeutet das für die Kreativität? Überspitzt gesagt, kauft doch RTL das Erfolgsformat in den USA oder Großbritannien, und die anderen hecheln später mit Me-too-Programmen hinterher.

Nach meiner Beobachtung wird Kreativität im Moment sehr klein geschrieben. Alle Firmen fragen sich eher: Was läuft international, und wie kann man das auf den deutschen Markt übertragen. Und das natürlich möglichst so, dass man nicht auch noch die Lizenz kaufen muss.

Der Doku-Boom war gestern, Make-over-Shows wie „Wohnen nach Wunsch“ sind heute, was wird der nächste TV-Trend?

History. Es geht zurück, gerne auch in die Ur- und Frühgeschichte, wo es überhaupt keine Bilder gibt. Die Technik ist so weit, dass man alles am Computer nachstellen kann. Das wird dann noch verquickt mit einem kleinen Unterhaltungsaspekt, einem prominenten Moderator zum Beispiel, und als schöne Reihe präsentiert.