: Statistisch durchlöcherter Tellerrand
Bremen im Benchmarking: Überlastete Polizisten, reichlich Drittmittel, günstige Bäder. Auch unsportliche Frauen?
Schon als grüne Oppositionschefin hatte Karoline Linnert so genannte Benchmarking-Berichte als Mittel zur Gewinnung von Haushaltstransparenz gutgeheißen – und zugleich davor gewarnt, dass solche detaillierten Kostenvergleiche zwischen Bundesländern und Städten die Dynamik eine „Dumping-Wettbewerbs“ befördern können. Gestern stellte sie in ihrer Eigenschaft als Finanzsenatorin die Ergebnisse der jüngsten Benchmark-Erhebungen vor.
Wo „2008“ drauf steht, ist in vielen Bereichen freilich nur deutlich älteres Zahlenmaterial enthalten – noch immer befindet sich das 2002 erstmals in Auftrag gegebene Zahlenwerk im Entwicklungsstadium. Nichtsdestoweniger haben die fleißigen FinanzbeamtInnen einiges herausbekommen, mit dem Bremen aus haushalterischer Perspektive durchaus punkten kann: Bei der Drittmittel-Gewinnung belegen die Bremer Hochschulen einen Spitzenplatz, gleichzeitig liegt die Versorgungsquote für auswärtige Studierende mit 40 Prozent deutlich über denen der anderen Stadtstaaten (Berlin 31, Hamburg 24 Prozent). Und die Schwimmbäder sind mit einem Kostendeckungsgrad von 73,7 Prozent (2007) Spitzenreiter im Ranking der Vergleichsstädte.
Das Beispiel der Bäder macht freilich deutlich, dass ein Parameter wie „Kostendeckung“ durchaus zweischneidig ist: Die hohe Einnahmenquote der hiesigen Bäder wird auch durch den (nicht vorkommenden) Begriff der „Überfüllung“ befördert: Während sich im Durchschnitt der Vergleichsstädte 83.448 Menschen ein Hallenbad teilen, tun das in Bremen 109.462. Linnert weiß: „Es gibt zweierlei ‚gut‘: Das der Finanzsenatorin, die wenig ausgeben möchte, und das der Fachressorts mit ihren jeweils berechtigten Interessen.“ Der Benchmark-Bericht dürfe keineswegs dazu dienen, „Bremen in allen Bereichen auf das bundesweit niedrigste Niveau herabzudrücken“.
Andererseits hätten die aktuellen Erkenntnisse dazu beigetragen, Polizisten und Lehrer im aktuellen Haushaltsentwurf komplett von Einsparungen auszunehmen: Das Benchmarking hatte ergeben, dass die Arbeitsbelastung mit Strafanzeigen pro Bremer Polizist bundesweit nur von ihren Kölner KollegInnen getoppt wird. Auch in den Schulen ist die Arbeitsverdichtung demnach erheblich: Die Gesamtausgaben pro Schüler und Jahr liegen mit 4.800 Euro deutlich unter den Werten der Stadtstaaten Berlin und Hamburg. Das jüngste diesbezüglich belastbare Zahlenmaterial stammt allerdings aus 2005.
Insgesamt wurden 374 „Kennziffern“ untersucht – und insbesondere die Bremer Vertretung in Berlin gemahnt, endlich „Anstrengungen zur verbesserten Messbarmachung von Zielen und deren Erreichung“ zu unternehmen. Bei künftigen Benchmark-Berichten soll die „Geschlechterperspektive“ Linnert zufolge eine größere Rolle spielen. Im aktuellen Zahlenwerk seien lediglich die Daten aus dem Bereich Bildung und Wissenschaft geschlechtsspezifisch aufgeschlüsselt. Allerdings findet sich auch im Bereich Sport bereits die ein oder andere diesbezüglich erhellende Zahl: Der „Organisationsgrad der männlichen Bevölkerung“ wurde mit 30,3 Prozent ermittelt, während lediglich 18,7 Prozent der weiblichen Bevölkerung in entsprechenden Vereinen aktiv sind. In München hingegen sollen 40 Prozent der Frauen sportlich organisiert sein. HENNING BLEYL