Der, den die Bahn hasst

Connex-Geschäftsführer Leister klagt gegen die DB, weil die sich den Regionalverkehr in Brandenburg gesichert hat

Bei der Deutschen Bahn soll sein Name möglichst nicht genannt werden. Bahnchef Hartmut Mehdorn „hasst ihn geradezu“, wie Mitarbeiter vermuten. Doch treffe man den so geächteten Hans Leister, Geschäftsführer des Bahn-Konkurrenten Connex, persönlich, so wirke er „sehr integer“, sei er „ein netter Typ“ und „äußerst umgänglich“. Das sagen Leute aus dem Bahn-Konzern und seine Connex-Kollegen genauso.

Der Unmut des selbst weniger umgänglichen Mehdorn hat seine Gründe. Zunächst einmal nervt die DB die Konkurrenz des Wettbewerbers. Connex hat zahlreiche Regionalbahnen übernommen und betreibt mittlerweile auch drei Fernverkehrsstrecken. Die Züge sind zwar zum Teil deutlich langsamer, aber die Fahrkarten kosten weniger als der billigste Super-Super-Sparpreis der Deutschen Bahn. Also ist der Connex-Zug nach Rostock proppenvoll – und der Bahn bleiben die Kunden weg.

Was Mehdorn und seine Leute aber ganz besonders gegen Leister aufgebracht hat: Der Connex-Chef hat sein Wissen über den Schienenverkehr bei der Bahn erworben. Dort arbeitete der gebürtige Münchner von 1994 bis 2000 als Beauftragter der Region Berlin-Brandenburg. Und, noch schlimmer: Ausgerechnet ihr früherer Brandenburgexperte klagt derzeit gegen die Deutsche Bahn, weil sie im Dezember 2002 mit Brandenburg und Berlin einen Zehnjahresvertrag ausgehandelt hat. Allerdings erklärte das Brandenburgische Oberlandesgericht gestern, die Klage habe wenig Aussicht auf Erfolg. In dem Vertrag steht, dass die Länder Teile ihres Schienenverkehrs ohne Ausschreibung an die DB vergeben dürfen. Leisters Kommentar: Das Bahn-Management könne „alle Hebel in Bewegung setzen, um den Wettbewerbern Knüppel zwischen die Beine zu werfen“ – eine Behauptung, gegen die wiederum Mehdorn erfolglos vor Gericht schritt.

Bei der Bahn wird kolportiert, Leister nutze seine früher erworbenen Kenntnisse nun gegen sie. So habe der gelernte Wirtschaftsingenieur und Elektrotechniker sich in seiner DB-Zeit dafür eingesetzt, Interregios auf wenig befahrenen Strecken abzuschaffen und stattdessen Regionalexpresszüge einzusetzen. Kaum wechselte Leister Anfang 2001 zu Connex – was Mehdorn in einem hausinternen Schreiben als eine Art Verrat dargestellt haben soll –, wollte er dann die Interregio-Strecken übernehmen.

Kenner der Deutschen Bahn zeigen Verständnis für Leisters Wechsel zu Connex. „Leister wollte das System Bahn revolutionieren“, sagt der Vorsitzende der Interessengemeinschaft Pro Bahn, Karl-Peter Naumann. „Für ihn sollte Bahnfahren Spaß machen, und für so viel Innovation wurde man bei der Bahn früher geprügelt.“ Auch DB-intern nimmt man an, dass Leister, Jahrgang 1952 und Vater von drei Kindern, die starren Strukturen des mächtigen Konzerns satt hatte. „Er wollte endlich seine eigenen Ideen verwirklichen.“

Zum Beispiel, dass es manchmal schlauer ist, statt der teuren ICE-Züge billigere Doppelstockwagen fahren zu lassen. Leister bestand schon 1998 darauf, dass viele Reisende lieber zehn Minuten länger unterwegs wären, dafür aber nur ein Drittel des Fahrpreises zahlen müssten. Umsonst. Die Konzernleitung wollte davon nichts wissen. Jetzt macht der Interconnex der DB mit genau diesem Konzept Konkurrenz. KATHARINA KOUFEN