: Fliegen in Zukunft mit grünem Gewissen
Umweltministerium und Germanwatch präsentieren neues Projekt „Atmosfair“: Flugreisende können jetzt die von ihnen verursachte Klimabelastung mit Geld neutralisieren. Berlin–Bonn für 8 Euro mehr – und Atmosfair empfiehlt den Zug
AUS BERLIN HANNA GERSMANN
Umweltbewusstsein und Fliegen? Das geht nicht! Doch: Seit gestern kann jeder Fluggast seine Klimasünden zumindest ein wenig reparieren, indem er freiwillig für die von ihm verursachten Treibhausgase zahlt. „Atmosfair“ heißt die Initiative vom Bundesumweltministerium und der Eine-Welt-Organisation Germanwatch, die das ermöglicht.
Der grüne Bundesumweltminister Jürgen Trittin und Klaus Töpfer, Chef des UN-Umweltprogramms, haben sie gestern vorgestellt. Beide werden nun ihr Budget für Dienstreisen kräftig belasten, wenn sie das Projekt ernst nehmen. Töpfer müsste für einen Hin- und Rückflug von seinem Dienstsitz in Nairobi (Kenia) nach Deutschland zum Beispiel 74,50 Euro drauflegen und Trittin für den häufigen Trip Berlin–Bonn–Berlin 8 Euro. Für diese gut 500 Kilometer würde ihm von Atmosfair allerdings die Bahn empfohlen. Wie viele andere will oder kann Trittin auf das Fliegen jedoch häufig nicht verzichten.
Also kaufen sich die, die es sich leisten können, vom schlechten Gewissen jetzt einfach frei? „Darum geht es nicht“, sagt Töpfer, „sondern darum, dass sich jeder bewusst wird, welche Kosten er verursacht.“ Konkret funktioniert das Kompensationsgeschäft so: Wer fliegen will, kann unter www.atmosfair.com mit einem Emissionsrechner herausfinden, wie stark das Klima durch seinen Flug belastet wird. Er errechnet zudem, wie viel es kostet, eine vergleichbare Menge Treibhausgase irgendwo in der Welt wieder einzusparen. Dabei zählen nicht nur die Entfernung, sondern auch der Flugzeugtyp und Warteschleifen. Atmosfair-Projektleiter Dietrich Brockhagen erklärt: „Damit kein Pi-mal-Daumen-Ergebnis herauskommt, wurde der Rechner auch vom Umweltbundesamt in Berlin überprüft.“
Für den Flug von Nairobi nach Berlin veranschlagt er 4.260 Kilogramm Kohlendioxid. Das ist gut doppelt so viel, wie ein Autofahrer in einem Jahr verursacht. Für jede Tonne Kohlendioxid werden 15 Euro berechnet – der Preis, den es kostet, sie wieder einzusparen. Der Kunde kann das Geld über die Atmosfair-Homepage einzahlen oder eine Überweisung bei der Bank abgeben. Per E-Mail oder Post erhält er dafür ein Zertifikat.
Mit dem Geld werden in Entwicklungsländern Klimaschutzprojekte finanziert. So bekommen beispielsweise 12 indische Großküchen in Tempeln, Kliniken und Schulen moderne Solaranlagen und müssen nicht mehr mit Holz und Diesel kochen. Und die Uni von Rio de Janeiro in Brasilien wird künftig ihren Müll in umweltfreundlichen Strom verwandeln. Bis zu 30 Prozent der Einnahmen durch das Klimaticket werden allerdings für Marketing und Verwaltung abgezwackt. Das entspricht den Qualitätskriterien des deutschen Spendensiegels.
Ob das Projekt scheitert oder nicht, hängt nun an der Kundschaft von Lufthansa und Co. Atmosfair hat sich verbürgt, in jedem Fall 35.000 Euro in Klimaprojekte zu stecken. Die Fluggesellschaften haben sich beim Klimaschutz bisher nicht hervorgetan. Vom Emissionshandel sind sie ausgenommen. Vergeblich verlangen Umweltschützer seit langem eine Kerosinsteuer.
Dabei belastet der Flugverkehr das Klima besonders stark. Zwar quellen aus dem Triebwerk eines Jumbos die gleichen Abgase wie aus dem Auspuff des Autos. In 10 Kilometer Flughöhe wirken sie aber 3-mal so stark wie am Boden. „Einen Persilschein stellen wir nicht aus“, sagt deshalb auch Atmosfair-Projektleiter Brockhagen. Die bessere Alternative sei immer noch: „Urlaub mit Kontakt zur Erde.“
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