: Dschungel in Brandenburg
Es herrscht wieder Euphorie rund um die Pleitehalle von Cargolifter. Asiatische Investoren kauften das Gelände und planen Tropenfreizeitpark. Aber das regionale Hoffnungsprojekt birgt einige Risiken
von ROLF LAUTENSCHLÄGER
Zum Örtchen Brand, rund 50 Kilometer südöstlich von Berlin, kommt man über die Autobahn in Richtung Dresden. Es ist nicht beschwerlich, nach der Ausfahrt die Landstraße zu finden, die durch den üppigen Kiefernwald führt. Die Schilder „Cargolifter“ weisen den Weg, der einstmals zu streng verbotenem Terrain führte: einem Flugplatz der Roten Armee. Seit zwei Jahren steht auf dem Flugfeld die größte freitragende Halle der Welt, die 360 Meter lange und 100 Meter hohe Luftschiff-Kathedrale zum Bau von Zeppelinen. Gebaut wurden die fliegenden Zigarren niemals, der Investor Cargolifter ging Pleite – trotz staatlicher Subventionen von 50 Millionen Euro.
Nach dem Verkauf des insolventen Unternehmens Anfang Juli 2003 an die Tropical Island, eine Tochtergesellschaft des Energie- und Lottokonzerns Tanjong (Kuala Lumpur/London) und der Au Investment (Singapur) für 20 Millionen Euro werden die Schilder wohl ausgetauscht werden müssen. Und die Berechnungen der neuen Besitzer, die ab Herbst 2004 von Besuchermassen in Größenordnungen von mehreren Millionen jährlich hantieren, verlangen nach einer breiteren Straße.
„Tropical Island“ ist nicht nur ein Name, sondern ein Konzept, das einer Fata Morgana im märkischen Sand gleichkommt. Die Planung der Investoren sieht vor, einen tropischen Regenwald-Freizeitpark in der Werfthalle zu errichten. Das Dschungel- und Karibik-Feeling soll entstehen durch ein tropisches Meer von der Größe fünf olympischer Schwimmbecken, 700 Quadratmeter Sandstrand sowie eine Salzwasserlagune, Kokospalmen, einen Wasserpark für Kinder und eine tropische Blumenwelt – Hotels, Strandbars und Mojito-Cocktails inbegriffen.
Die Idee des Themenparks mit exotischem Anstrich ist dem Investor nicht erst beim Anblick der Megahalle eingefallen. Colin Au Fook Yew, künftiger Manager des Regenwaldparks, hat Erfahrung mit ähnlichen Kulissen daheim in Kuala Lumpur, wo Tanjong seit Jahren die „Genting Highlands“ betreibt – ein gigantisches Kasino- und Freizeitareal aus Bergen, künstlichen Seen und venetianischen Kanälen, mit Eiffelturm sowie der Freiheitsstatue oder Seilbahnen- und Achterbahnen der Superlative. Hinzu kommen 10.000 Zimmer, 8.000 Angestellte, 37 Schalter an der Rezeption und der Verzehr von 18.000 Eiern samt Tonnen von Hühnerfleisch täglich.
Der Niedergang des Cargolifter-Projekts ist noch nicht lange her, jetzt schwirren wieder Ankündigungen von 1.000 Arbeitsplätzen, Summen von 120 Millionen Euro Investitionsmitteln und reichlich Lagunenambiente durch die brandenburgische Luft. Man denkt dort wieder an das große Rad, das man drehen will. Statt nach einem gescheiterten Megaprojekt vorsichtiger zu operieren, wird mit Euphemismen gearbeitet wie zu Zeiten des Cargolifters-Hypes. „Eine Chance“ sei das „Tropical Island“, er habe „viel Zustimmung in der Spreewaldregion“ erhalten, sagt Rolf-Dieter Mönning. Mönning aber ist Insolvenzverwalter und hat großes Interesse daran, die Cargolifter-Luftschiffhalle gut zu vermarkten. Auch Wolfgang Schmidt vom Landratsamt Dahme-Spreewald setzt auf Aufschwung. „Für uns ist wichtig, dass die Riesenhalle als ein neues Symbol des Spreewaldes erhalten bleibt.“ Schmidt ist Berufsoptimist, der Zukunft versprechen muss, nachdem die anvisierten Cargolifter-Arbeitsplätze nicht Wirklichkeit wurden. Sekundiert werden beide von einem Freizeitforscher, Peter Schnell von der Uni Münster, der sagt: „Das Projekt ist Erfolg versprechend, der Standort im Großraum Berlin und der Nachholbedarf für solche Einrichtungen dort sind optimal.“
Nüchtern betrachtet steht das Tropenwald-Disney aber vor ungeklärten Fragen. In der Region, wo jeder Vierte arbeitslos ist, fehlt das Kapital. An Erfahrungen mit Freizeitparks mangelt es dort ebenso. Und Skeptiker glauben, dass statt 1.000 nur 200 Arbeitsplätze entstehen – solche für Kartenabreißer und Bademeister. Kategorie Aufschwung Ost eben.