: Unter Tastendruck
Infostress macht uns alle krank. Ein erschütternder Gesundheitsreport
Immer mehr Menschen werden wahnsinnig wegen der vielen digitalen Informationen, die täglich auf uns einstürmen. Sei es die Vielzahl von E-Mails, in denen gefragt wird, ob die letzten E-Mails denn gut angekommen seien, sei es das Internet mit seinen vielen hundert bunten Seiten – die psychischen Anforderungen der Informationsgesellschaft werden immer extremer. Schon heute steht zum Beispiel auf einer Yahoo-Startseite mehr Werbung als früher in die gesamte Bibliothek von Alexandria hineinpasste!
„Infostress“ wird das neue Phänomen genannt, das die seelische Gesundheit der Menschen ernsthaft bedroht. Verursacht wird es vor allem durch das Internet: Die überflüssigen Informationen erreichen einen jetzt nicht mehr nur donnerstags, wenn der Stern erscheint, sondern flackern zu jeder Tages- und Nachtzeit unkontrolliert über den Bildschirm. Umfragen zeigen, dass bereits jeder dritte Manager seinen Aufgaben nicht mehr nachkommt, weil er alle zehn Minuten Börsenkurse abfragen oder Angebote vom Hostessen-Service vergleichen muss. Besonders Vorgesetzte mit DSL-Zugang und Flatrate vernachlässigen ihre Arbeit. Sie schikanieren ihre Untergebenen nicht mehr richtig und vergessen, längst überfällige Massenentlassungen auszusprechen.
Mit dem Internet verbunden zu sein, wirkt auf viele Menschen wie eine Droge. Wenn Nutzer Infos laden oder Filme saugen, fühlen sie sich wie Gott auf Wolke neun. Offline und unterwegs hingegen sind sie nur zitternde, kleine Würstchen, immer auf der Suche nach Internetcafés, in denen sie sich den nächsten Tastendruck setzen können. Einige hoffnungslose Fälle haben sich sogar schon drahtlos vernetzte Notebooks angeschafft, mit denen sie sich in Parks und vor Bahnhöfen neben die Kollegen von der Junkstelle setzen, um dort zu verelenden.
Doch auch weniger suchtgefährdete Mitmenschen leiden mittlerweile unter den psychischen Folgekosten der Informationsflut. Auf der Jagd nach neuen, heißen Informationen verheddern sie sich im Datendickicht, wissen Wichtiges kaum noch von Unwichtigem zu unterscheiden und versteigern schließlich ihre geheime Passwortliste bei eBay. Leider nehmen aber auch körperliche Beschwerden explosionsartig zu: Vom vielen Googeln bekommt man zum Beispiel Halsweh, und Mediziner sehen bereits einen Zusammenhang zwischen Datenüberflutung und psychosomatischen Krankheiten wie Milchschorf oder Mumps. In Einzelfällen kann die Infoflut sogar tödlich sein. Ein Mann, der zwanzig Stunden hintereinander Spiegel Online las, klappte am Schreibtisch plötzlich blutend zusammen: Informationsinfarkt! Die vielen gut recherchierten Informationen im bekannt vorzüglichen Spiegel-Stil hatten sein zentrales Nervensystem einfach implodieren lassen.
Um Überforderung zu verhindern, raten Experten daher, vor allem zwei Regeln zu befolgen: Wenn man im Internet ist, guckt man besser nicht richtig hin, sondern beschäftigt sich nebenher mit anderen Dingen wie zum Beispiel Schachspielen, Blumen gießen oder Gedichte schreiben. E-Mails schließlich sollen am besten nur einmal am Tag abgerufen und gelesen werden – und auch nur dann, wenn man ganz sicher sein kann, dass nichts Wichtiges drinsteht.
MARK-STEFAN TIETZE