piwik no script img

Archiv-Artikel

Solarstrom von Industriedächern

Großanlagen müssen nicht immer auf Freiflächen stehen – auch auf Hallendächern gibt es Potenzial. Bis vor wenigen Jahren war der Imagegewinn eines der Hauptargumente der industriellen Solarpioniere. Dieses Motiv ist inzwischen eher nachrangig

VON BERNWARD JANZING

Neue Leistungsrekorde sind nicht nur von der grünen Wiese zu vermelden – auch auf Industriedächern entstehen derzeit Solaranlagen beachtlicher Dimension. Das größte dachintegrierte Solarkraftwerk der Welt wird gerade auf den Hallen des Logistikunternehmens tts Global Logistics im hessischen Bürstadt errichtet. Es wird 5 Megawatt leisten und damit so viel Strom liefern wie noch vor zwölf Jahren alle Solarkraftwerke Deutschlands zusammen – ein „Bürgerkraftwerk gigantischen Ausmaßes“, wie jüngst die Fränkischen Nachrichten schrieben.

Initiatorin ist die Tauber-Solar Management GmbH aus Tauberbischofsheim, die im Tauberfränkischen bereits Solarkraftwerke mit zusammen mehreren Megawatt ans Netz gebracht hat – finanziert stets über Beteiligungen von Menschen vor Ort. Die Solarfreunde setzen dabei konsequent auf Großdächer: „Freiflächen haben wir noch nicht benötigt“, sagt Vordenker Leonhard Haaf, „wir hatten immer ausreichend Dächer zur Verfügung.“

Längst sind auch andere Projektierer auf großen Firmendächern aktiv – oft von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, weil derzeit Freilandanlagen die Debatte prägen. Die Mainzer Juwi GmbH zum Beispiel hat zuletzt mehrere Photovoltaikanlagen zwischen 222 und 951 Kilowatt auf Lagerhallen und Fabrikdächern errichtet.

Zunehmendes Interesse von Unternehmen an einem Solarkraftwerk auf den eigenen Hallen registriert auch die Hamburger Conergy AG: „Wir bekommen immer häufiger Dächer angeboten“, sagt Firmensprecherin Andrea Löffler. Sie ist daher überzeugt, dass leistungsstarke Dachflächenanlagen eine Zukunft haben – schließlich benötigen diese im Unterschied zu Freiflächenanlagen keine Baugenehmigung. Zudem fördert das novellierte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) Dachanlagen durch höhere Vergütungssätze.

Allerdings ist die Gestaltung des Vertrags zwischen Dacheigentümer und Anlagenbetreiber mitunter nicht ganz einfach. Um Interessenten ein Gerüst für die Vertragsgestaltung zu geben, plant die Unternehmensvereinigung Solarwirtschaft (UVS) dieses Jahr entsprechende Handreichungen herauszubringen.

Firmenchefs, die über das nötige Kapital verfügen, investieren inzwischen immer öfter auch selbst. Denn die Erträge bei Verpachtung der Dächer können kaum ein Anreiz sein. Zwar bringt heute – anders als noch vor wenigen Jahren – eine fremde Solaranlage den Dachbesitzern ein kleines Zubrot. Aber die Beträge sind zu gering, um Hauptmotivation sein zu können: 6 Euro pro Jahr je installiertes Kilowatt zahlt etwa bei kleinen Anlagen mit mehreren 100 Kilowatt die Phönix Sonnenstrom AG. Zwar könne es bei größeren Anlagen jenseits der 500 Kilowatt auch „deutlich mehr“ sein, heißt es, doch letztendlich sind auch diese Einnahmen nur ein Taschengeld.

Interessanter kann ein Mehrwert spezieller Art sein: „Wir bieten statt einer Pachtzahlung eine 20-jährige Gewährleistung für die Dachabdichtung“, sagt Hans Steinbronn, Geschäftsführer der Mainzer Firma Dachland. In Kooperation mit der Juwi GmbH installieren die Dachexperten die Photovoltaikanlagen und geben dem Eigentümer der Halle als Bonus das „Sorglos-Paket“ mit 20 Jahren Wartung fürs Dach gratis dazu.

Bis vor wenigen Jahren war zudem der Imagegewinn eines der wichtigsten Argument der industriellen Solarpioniere. Wie hoch dieser Vorteil heute in Anbetracht zunehmender Anlagenzahlen noch bewertet werden kann, ist umstritten. „Das Thema Image ist inzwischen eher nachrangig“, sagt Florian Ferber von der Phönix Sonnenstrom AG. Völlig anders sieht dies das Büro für Solarmarketing in Freiburg: Eine Solaranlage auf dem Firmendach sei „ein ausdifferenziertes Marketinginstrument mit positiver Wirkung nach außen wie in den Betrieb hinein“, beobachtet Marketingexperte Jürgen Leuchtner. Vermutlich sind beide Sichtweisen irgendwie richtig – entscheidend dürfte jeweils sein, ob die betreffende Firma ihre Solaranlage bewusst in ihre Imagewerbung einbinden kann oder nicht.

Auch ist die Frage, welchen Anteil seines Stromverbrauchs das betreffende Unternehmen durch die Anlage auf dem eigenen Dach deckt, entscheidend. „Wenn eine Firma damit werben kann, dass sie ausschließlich mit Solarstrom produziert, dann ist die Anlage noch immer ein gutes Aushängeschild“, sagt Edgar Gimbel von der S. A. G. Solarstrom AG in Freiburg. Ansonsten aber gehe die Solaranlage auf dem Firmendach bereits „in Richtung Standard“.

So positiv sich die Photovoltaik auf Großdächern entwickelt – an den ganz großen Boom glaubt die Branche trotzdem nicht. Manchen Dachbesitzer schreckt die Laufzeit der Nutzungsverträge, woanders reicht die Statik für die Installation der Module nicht aus, oder Schächte und Kamine verschatten die Flächen. Und mitunter gibt es noch ein ganz profanes Problem, an dem Projektierer scheitern – die Firmenstrukturen. Denn oft gelingt es externen Interessenten nicht, an die Entscheider in den Firmen heranzukommen. „Mittelständler sind in diesem Punkt oft noch ganz dankbare Partner“, sagt Florian Ferber von der Phönix Sonnenstrom AG, doch in Großunternehmen scheitere man oft daran, dass niemand zu finden ist, der sich für entscheidungsbefugt hält. „Da sind dann Hallen über Tochterfirmen wieder an die Mutter verpachtet – und schon ist der Verantwortliche nicht mehr ausfindig zu machen.“ Bei der Deutschen Post zum Beispiel hat es Phönix vergeblich versucht: „Wir sind nie an einen motivierten Entscheider herangekommen“, klagt Ferber. Was umso bedauerlicher ist, als die Post bundesweit über ein riesiges Kontingent an Hallen verfügt. Vermutlich muss bei Konzernen dieser Größe der Impuls von ganz oben kommen – Herr Zumwinkel, übernehmen Sie!