Schilderstreit mit Motiv

Plakativer Kommunalwahlkampf in Herten. Pro-Bürger-Partei spricht von „verfilztem Schweinestall“, weil SPD zu früh Wahlplakate aufhängen durfte

„Das ist ein verfilzter Schweinestall“, schimpft Alinaghi von Pro-Bürger über Plakate der „Kommunisten“

VON MARTIN TEIGELER

In Herten eskaliert der Kommunalwahlkampf, weil die SPD einige Tage zu früh Wahlplakate aufgehängt hat. „Das ist hier ein verfilzter Schweinestall“, sagt Borsu Alinaghi von der Pro-Bürger-Partei. Grund für die Aufregung: Die Hertener Verwaltung unternehme nichts gegen einen „Rechtsverstoss“ der örtlichen SPD. Alinaghi regt sich über eine Plakataktion der „Kommunisten“ auf. Mit „Kommunisten“ meint Alinaghi die Sozialdemokraten. Der Oppositionelle stört sich an SPD-Wahlplakaten, die nach der Europawahl mit kommunalen Motiven überklebt wurden.

Alinaghi, ehemaliges Schillpartei-Mitglied und davor Parteigänger der CDU, beruft sich auf einen Erlass des NRW-Innenministeriums. Danach dürfen Wahlplakate erst 90 Tage vor dem Urnengang aufgehängt werden. „Die Kommunalwahl ist am 26. September, darum darf die SPD erst ab dem 26. Juni neue Plakate aufhängen“, sagt Alinaghi. Pro-Bürger verstehe sich als „Rechtsstaatspartei“, halte sich an die 90-Tage-Regelung, und werde deshalb erst am morgigen Samstag mit der Plakatierung beginnen. Die SPD aber habe gegen den NRW-Erlass verstoßen, indem sie von der Europawahl am 13. Juni übrig gebliebene Reklametafeln mit kommunalpolitischen Motiven überklebt habe – geduldet von der Stadtregierung.

In seinem Schreiben an den SPD-Stadtverbandsvorsitzenden Ulrich Paetzel rügt der Erste Beigeordnete der Stadt, Cay Süberkrüb, die Fristüberschreitung bei der Wahlplakatierung der SPD und „fordert sie nachdrücklich auf, sich zukünftig an bestehende Regelungen zu halten“. Wegen der im vorliegenden Fall „relativ geringfügigen Fristüberschreitung“ werde aus Gründen der Verhältnismäßigkeit jedoch davon abgesehen, das Entfernen der Plakate zu fordern. Eigentlich hätte die Plakataktion gar nicht gerügt werden dürfen, bezieht sich der NRW-Erlass doch auf „Straßen außerhalb geschlossener Ortschaften“, nicht aber auf innerstädtische Plakate wie in Herten. Eine Sprecherin des Innenministeriums bestätigte auf taz-Anfrage diese Lesart des Erlasses. In Hertens Nachbarstädten hält sich deshalb kaum eine Partei an das vermeintliche Verbot. So prangen in Recklinghausens Innenstadt schon seit Wochen die Konterfeis der Kommunalwahlkandidaten. In Herne warb ein Lokalpolitiker seit Beginn der Fußball-EM mit seiner Fußball-Liebhaberei – ähnlich hängen in vielen NRW-Städten längstWerbeschilder für den Urnengang im Herbst.

SPD-Bürgermeisterkandidat Uli Paetzel, der auf den umstrittenen Plakaten mit seinem Werbeslogan „Ein Herz für Herten“ abgebildet ist, räumt ein, „dass die Sache blöd gelaufen“ sei. Als er am Wochenende von einem Ausland-Aufenthalt heim kehrte, sei er „ganz erstaunt“ gewesen, dass die neuen Plakate hingen. „Eigentlich sollte das erst im Laufe der nächsten zehn Tage geschehen.“ Die Rüge der Stadtverwaltung findet Paetzel „okay“.

Herten wird nicht zum ersten Mal zum Schauplatz eines bitteren Parteienstreits aus nichtigem Anlass. Seit Monaten liegen die Politiker in der 68.000-Einwohner-Stadt im Clinch. Die Sozialdemokratie will ihre Mehrheit verteidigen, die Pro-Bürger-Partei wettert grobschlächtig gegen die „rote Filz-Hochburg“ – die Christdemokraten halten sich dezent zurück und hoffen, von dem Dauerzwist zu profitieren. Ex-Schillpartei-Aktivist Borsu Alinaghi jedenfalls will auf die SPD-Plakataktion mit Gigantomanie antworten: „Ab dem 26. Juni kleben wir auch Plakate – mindestens 1.500 Stück.“