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Archiv-Artikel

Das schmähliche Schandurteil von Hannover

Braunschweig gewinnt mit Raubrittermethoden: Osnabrücks ehrenvolles Scheitern in einem äußerst unsportlichen Wettbewerb

Die zwischen Teutoburger Wald und Wiehengebirge gebettete, mit schmucken Asphaltbändern umgürtete niedersächsische Gemarkung Osnabrück bewarb sich um den Titel „Kulturhauptstadt Europas 2010“ und agierte damit gegen die Landesregierung, deren Wohlwollen ohne Ansehen der dortigen Missstände weiterhin auf Braunschweig ruht. Die Wahrheit hat Osnabrück auf dem langen Weg durch die Institutionen publizistisch begleitet und nach bestem Vermögen unterstützt. Leider ohne Erfolg.

Osnabrück ist Opfer eines dreisten Piratenaktes geworden. Am 22. Juni 2004, der künftig als „schwarzer Dienstag“ in der Regionalchronik verzeichnet sein wird, entschied das niedersächsische Kabinett, einzig die Braunschweiger Bewerbung um den Titel „Kulturhauptstadt Europas“ nach Berlin weiterzureichen und den viel versprechenden Mitbewerber Osnabrück mit vagen Zusagen für die Bundesgartenschau 2015 abzuspeisen – eine Veranstaltung, für die, sofern es nach der gedemütigten Osnabrücker Bevölkerung geht, der heutige Ministerpräsident und Vaterstadtverräter Wulff nicht mehr zuständig sein wird.

Wes Geistes Kind die Braunschweiger sind, zeigte sich erst kürzlich, als sie in Freibeutermanier eine Kogge enterten, die die baumstammdicke Bewerbung der befreundeten Hansestadt Bremen via Mittellandkanal gen Berlin transportieren sollte. Mit derlei Raubrittermethoden und allerlei Unsportlichkeiten haben die Braunschweiger den Wettstreit von Anbeginn zur Farce werden lassen und unter anderem die Landesregierung zu einer vorzeitigen Gunstbezeugung angestiftet. Nachdem sich Wulff und Konsorten einmal festgelegt hatten, konnte Braunschweig ohne sonderliche Mühewaltung das Verfahren abwarten. Immerhin gab es kritische Stimmen in der Landesadministration, die nach Einreichung der Braunschweiger Bewerbungsunterlagen naserümpfend um Nachbesserung baten, während Osnabrück ausschließlich Anerkennung erntete. Augenscheinlich hatten die gedungenen Gewährsleute letztlich sogar erhebliche Mühe, ihren Favoriten durchzusetzen: mit 67,5 zu 66,5 Wertungspunkten fiel das Ergebnis denkbar knapp aus.

Kein Grund also für Osnabrück, Minderwertigkeitskomplexe zu entwickeln, zumal man jüngst mit der Ausrichtung des Deutschen Jugendhilfetages und einem Weltrekordversuch im Kammblasen bewiesen hat, dass man Veranstaltungen dieser Größenordnung mühelos zu stemmen, zu schultern und durchzustehen vermag. Der Blick sollte also selbstbewusst nach vorne gerichtet sein, der einmal eingeschlagene Weg sturhals beibehalten werden. Zum Beispiel könnte Osnabrück dem mit der Austragung der Olympischen Spiele heillos überforderten Athen noch schnell anbieten, einige der Turniere zu übernehmen. Die nötige Infrastruktur ist vorhanden: für Rasensportarten stehen das Stadion an der Bremer Brücke und die Illoshöhe zur Verfügung, die Gretescher Leichtathletikanlagen werden schon jetzt sporadisch für internationale Wettbewerbe genutzt, und auf dem Stichkanal zwischen dem Osnabrücker Hafen und dem Mittellandkanal kann gerudert und geschwommen werden, dass das Wasser nur so spritzt.

Und wenn es in diesem Jahr nicht mehr klappt, sollte sich Osnabrück unbedingt für die nächsten frei werdenden Olympischen Spiele ins Gespräch bringen. Die Wahrheit jedenfalls wäre sehr dafür und tritt schon jetzt in die erste Reihe der Unterstützer ein.

CASPAER WIEDENBROCK