: Bakterien als Stromlieferanten
Brennstoffzellen gelten als Hoffnungsträger für alternative Energien. In Greifswald kommt man ohne teure Rohstoffe und hohen Verbrennungsaufwand aus: Forscher nutzen den Stromfluss, der bei der mikrobiologischen Verstoffwechselung entsteht
VON GISELA SONNENBURG
Bakterien, diese mikroskopisch winzigen Organismen, haben eine besondere Eigenschaft: Sie sind immerzu hungrig. Und wenn sie aufs Fressen hin auch noch Wasserstoff und Ethanol ausscheiden, haben sie zudem noch eine Eigenschaft, die der Mensch nutzbringend einsetzen kann: Sie erzeugen dabei einen Elektronenfluss, der aufgefangen und direkt verwertet werden kann. Theoretisch bekannt ist das schon seit den 80er-Jahren. Praktisch aber hielt bisher keine Elektrode den Bakterienstress lange durch.
An der Universität Greifswald sucht ein kleines, junges, multidisziplinäres Team Mittel und Wege, die Stromgewinnung aus der bakteriellen Verstoffwechselung zu optimieren: Zwei Biochemikerinnen und zwei Elektrochemiker mühen sich im Fachbereich Analytische Chemie, aus einem Dutzend Versuchsanordnungen zukunftsfähige Modelle zu entwickeln.
„Wir stehen noch ganz am Anfang, sind bei der Grundlagenforschung“, sagt Uwe Schröder, der das Projekt leitet. Erste Fortschritte sind unübersehbar, finden auch in der Fachwelt Beachtung, so bei der Gesellschaft Deutscher Chemiker: Es gelang den Greifswaldern, die Stromstärke von 20 bis 120 Mikroampere auf gut das Zehnfache, also auf mehr als ein Milliampere, zu steigern. Für den Betrieb eines Ventilators reicht das schon aus.
Entscheidend sind dabei zum einen die Bakterien, die fleißig Strom produzieren, ohne ihre menschlichen Züchter zu gefährden. Zum anderen müssen die technischen Details der Elektroden stimmen. Schröders Team benutzt, und das ist neu, welche aus Platin, die mit dem Kunststoff Polyanilin beschichtet sind. Moleküle wie Wasserstoff und Ethanol lagern sich hier an und wandern durch eine Membran zur Platinanode. Fertig ist die mikrobielle Brennstoffzelle – störende Stoffwechselprodukte, die sonst den Elektronenfluss behindern, weist Polyanilin größtenteils ab.
An Bakterien geeignet ist ein bestimmter Stamm von Escherichia coli: Der „K 12-Stamm“ gilt als bewährte Laborratte unter den Bakterien. Anders als jene Coli-Bakterien, die auch im menschlichen Darm vorkommen, erzeugen die K-12 beim Menschen keine Krankheiten. Als harmlose Haustierchen kommen sie durchaus in Betracht – und auf umweltfreundliche Anwendernähe zielt das Greifswalder Projekt.
Gefüttert werden die K-12 meist mit Glukose, also mit Zuckerlösung. Dabei fühlen sich die Coli-Bakterien mit und ohne Sauerstoffzufuhr wohl: Während ihrer Aufbewahrung wuseln sie unter äroben Bedingungen vor sich hin, bis sie später in der Brennstoffzelle auf anäroben Betrieb umschalten. Dann beginnt die begehrte Gärung, bei der Strom entsteht.
Mit nur 200 Millilitern Bakterienlösung und zwei Gramm Glukose kann man nach gut zwei Stunden auf Strom hoffen. Lässt man die K-12 schon vorher gären, sagt Schröder stolz, verkürzt sich die Wartezeit. Dass sie mit Zucker einen zwar preiswerten, aber industriell hergestellten Rohstoff verwenden, fuchst die Greifswalder Pioniere. Ihr Ziel ist die Stromgewinnung aus unbearbeiteten Naturstoffen oder noch besser: aus Abfällen.
Gedacht wird dabei an die komplexen Kohlenhydrate, die in der Stärke und der Zellulose von Pflanzen enthalten sind, also an landwirtschaftliche und Küchenabfälle. Aber auch an Fäkalien. Versuche mit Klärschlamm waren bereits erfolgreich, auch wenn in den Exkrementen ein mikrobiologisch sehr kompliziertes System aus Kleinstlebewesen steckt. „Da sind tausende von Spezies vertreten, die nicht zur Stromgewinnung taugen“, sagt Schröder.
Trotzdem könnte es sein, dass man eines Tages aus Klärwerken biologische Kraftwerke macht – und als Einzelverbraucher mit einer guten Verdauung oder genügend Kompost ganz individuell seinen eigenen Ökostrom herstellt. Das wäre eine progressive Rückkehr zum Plumpsklo: Man steht morgens auf, füttert die hungrigen Bakterien und kann den Strom einschalten. Kein Ersatz fürs Stromnetz, aber ein praktikabler Zusatz.
Schröder betont indes, all das sei „Zukunftsmusik“, zumal er in seinem Projekt lediglich drei Mitarbeiter hat. Von einem Etat, wie ihn sein US-Kollege Adam Heller von der University of Texas hat, kann er nur träumen: Heller baut keine mikrobiellen, sondern enzymatische Brennstoffzellen, die er eines Tages sogar in den menschlichen Körper implantieren möchte. Sie sollen Diabetikern helfen, ihren Insulinpegel automatisch auszubalancieren.