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Archiv-Artikel

Rasenmäher trifft Bildung und Forschung

In Berlin regt sich Widerstand gegen die Kürzungsliste der Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück. Was als „größtes Programm zum Subventionsabbau“ verkauft wurde, führt zu Streichungen bei namhaften Wissenschaftseinrichtungen

AUS BERLIN CHRISTIAN FÜLLER

Selten hatte das Parlamentsviertel so viel Verachtung für ein politisches Papier übrig. Und das liegt nicht nur daran, dass die von den Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück vorgeschlagene Kürzungsliste zu Einsparungen in Höhe fast 16 Milliarden Euro bis zum Jahr 2006 im Bundeshaushalt führen soll.

„Die Liste ist verheerend, skandalös und unbegreiflich“, urteilt der grüne Bundestagsabgeordnete Winfried Nachtwei. Der CDU-Kollege Günter Nooke ruft gar zur außerparlamentarischen Opposition dagegen auf. Auch auf den Fluren der Bundesministerien herrscht allgemeines Kopfschütteln: „Das Koch-Steinbrück-Papier ist totaler Quatsch“, höhnt ein hoher Beamter hinter vorgehaltener Hand, „und das wissen auch alle.“

Nicht alle. Offiziell nämlich ist die so genannte Koch-Steinbrück-Liste kein Quatsch, sondern Maßstab herrschender Politik. Genauer: Sie ist Gesetz. Beinahe alle Bundesministerien werden die Posten, die das Papier aus der Feder der Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU, Hessen) und Peer Steinbrück (SPD, NRW) enthält, in ihren Etats zusammenstreichen. Mehr noch, es gibt praktisch keinen legalen Ausweg, die empfindlichen Kürzungen abzuwehren. Denn das Papier ist, wie es im Fachchinesisch heißt, titelscharf.

Auf Deutsch: Wer auf der Liste steht, kommt nicht mehr runter. Besonders verrückt ist die Situation für Kultureinrichtungen. Auf der Liste geraten sind etwa die Alexander-von-Humboldt-Stiftung, das Bundesinstitut für Berufsbildung oder auch die Stiftung Wissenschaft und Politik – bloß weiß keiner, warum. Eigentlich wollten Koch und Steinbrück Subventionen streichen, „die Wirtschaft und Staat lähmen“. Stolz verkündeten die beiden Landesfürsten, sie hätten „das größte Programm zum Subventionsabbau in der deutschen Geschichte vorgelegt“. Nun aber behindern sie, dass die Humboldt-Stiftung exzellente ausländische Wissenschaftler nach Deutschland holt, das Berufsbildungsinstitut über das in Verruf geratene Lehrstellensystem forscht und die Stiftung Wissenschaft dem Kanzler Ratschläge zur internationalen Sicherheitspolitik erteilt.

„Was wir tun“, sagt etwa der Generalsekretär der Alexander-von-Humboldt-Stiftung, Georg Schütte, „kann man doch nicht als schädliche Industriesubvention einordnen – wir investieren in die Zukunft.“ Die Humboldt-Stiftung wirbt im Ausland um jene Spitzenwissenschaftler, für deren erleichterte Aufnahme gerade ein neues Zuwanderungsgesetz geschrieben wurde.

„Die Liste ist aus einem doppelten Grund idiotisch“, berichtet der Chef einer anderen betroffenen Einrichtung, „sie ist willkürlich zusammengestoppelt und sie ist in einem merkwürdigen Rechtssetzungsverfahren zustande gekommen.“ Tatsächlich hatten die Ministerpräsidenten die Liste erst im Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag in eine beinahe abgeschlossene Gesetzgebung geschleust. In den wirren Nachtsitzungen vergangenen Dezember galt das Motto „Friss oder stirb“. Die Liste konnte nur abgelehnt werden – oder Gesetzeskraft erlangen.

Die betroffenen Ministerien haben diese Alternative nicht. Über drei Jahre lang müssen sie die als unsinnig empfundenen Kürzungen exekutieren – oder versuchen, sich herauszumogeln. Das Auswärtige Amt, zuständig für die betroffenen Goethe-Institute, den Akademischen Austauschdienst oder die Humboldt-Stiftung, konnte die Kürzungen im Jahr 2004 abmildern, für das Jahr 2005 sogar abwehren. Was 2006 geschieht, ist offen. Im Bildungsministerium hingegen will man, so sein Sprecher Florian Frank, „jetzt nicht anfangen, die Koch-Steinbrück-Liste zu kritisieren. Wir setzen das um.“ 5,6 Millionen Euro lässt sich Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) unwidersprochen wegnehmen – obwohl man sich intern in ihrem Hause die Haare rauft, dass statt sterbender Industrien nun Zukunftsprojekte unter dem Subventionsabbau leiden müssen.

Die Brauindustrie ist da übrigens weniger zimperlich. Sie klagt vor dem Verfassungsgericht gegen das Zustandekommen der Koch-Steinbrück-Liste.

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