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Archiv-Artikel

Zahnersatz: Nur Standard ist sicher

Regierungsberater fürchtet, dass Zahnärzte ab 2005 mit privat abzurechnenden Leistungen die Patienten ausnehmen werden. Bei der Regelversorgung wird sich für die Patienten jedoch in 95 Prozent der Fälle nichts ändern, behaupten die Mediziner

VON ULRIKE WINKELMANN

Findige Zahnärzte haben ab nächstes Jahr die Gelegenheit, ihr Einkommen aufzustocken – zu Lasten der Patienten. Ein „Sprengsatz im Gesundheitsreformgesetz“ mache dies möglich, erklärte der Kölner Gesundheitsökonom und Regierungsberater Karl Lauterbach der taz. Die Neuregelung des Zahnersatzes sei so ungeschickt verfasst, dass Zahnärzte alles, was nicht Normalversorgung ist, privat und damit teuer abrechnen können.

Als Beispiel nennt Lauterbach die Zahnlücke vorn im Mund. Als „Regelversorgung“ wird die Lücke mit einer Krone geschlossen, die aus einem Metallstift mit hübsch weißer Keramikhülle besteht. Das kostet insgesamt 350 Euro, der Patient zahlt die Hälfte, also 175 Euro. Wünscht ein Patient jedoch eine Vollkeramikkrone, kann der Zahnarzt dies künftig als „andersartige Leistung“ berechnen.

„Andersartige Leistungen“ werden nicht nach dem Maßstab der Krankenkassen abgerechnet, sondern nach privatärztlichen Maßstab – und der ist wesentlich großzügiger. Der Zahnarzt bekommt 900 Euro, von denen der Patient 725 trägt. Vom Gesetzgeber beabsichtigt war dagegen, dass die Vollkeramikkrone als „gleichartige Leistung“ abgerechnet würde, denn dann würden die Kassen- und privaten Rechnungsmaßstäbe gemischt, und der Patient müsste bloß 425 Euro dazu zahlen.

„Ich gehe davon aus, dass die Zahnärzte künftig den ganzen Zahn zum privaten Satz abrechnen – wenn der Patient das mitmacht“, sagte Lauterbach zur taz. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) könne dies nur noch verhindern, indem entweder das Gesetz nachgebessert werde – was unwahrscheinlich ist. Wenn das zu mühsam sei, erklärte Lauterbach, könnten Kassen und Ärzte gezwungen werden, die „gleichartigen Leistungen“ sauber zu definieren.

Grundsätzlich wird es mit der Neuregelung des Zahnersatzes mehr als bisher von Wunsch, Vermögen und Verhandlungsgeschick des Patienten abhängen, welche Versorgung er bekommt. Denn nächstes Jahr wird das Vergütungssystem der Zahnärzte umgekrempelt. Gab es bisher für den Zahnersatz einen hälftigen Zuschuss der Krankenkassen, so wird es künftig „Festzuschüsse“ geben: Also nicht mehr die Hälfte für die Gold- wie für die Keramikkrone, sondern ein Fixbetrag für die Zahnlücke.

Dies bedeutet einerseits, dass es erstmals einen Kassenzuschuss auch für bislang überhaupt nicht bezahlte Leistungen wie etwa ein Implantat geben wird. Davon profitiert nicht nur der Patient, der hochwertige Leistungen wünscht. Sondern auch der Zahnarzt, der dank dieses Anreizes mehr schöne, teure – privat abzurechnende – Leistungen im Gebiss unterbringen kann.

An der Regelversorgung wird sich jedoch in 95 Prozent der Fälle für die Patienten nichts ändern. Dies erklärte gestern der Chef der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), Jürgen Fedderwitz, zum Ergebnis einer abschließenden Einigung mit den Krankenkassen. „Der Patient hat gewonnen“, sagte Fedderwitz. Lediglich bei sehr großen Zahnlücken, wo mehr als vier Zähne fehlen, werde das Festbetragssystem für den Patienten teurer als jetzt: Statt einer festen Brücke gibt’s nur noch herausnehmbare Prothesen.

Die Bonusheftchen, mit denen man den Eigenbeitrag auf 35 Prozent drücken kann, bleiben gültig. „Härtefälle“ wie Sozialhilfeempfänger müssen weiterhin nichts zuzahlen.