: Markt und MythosDorfes Drama
Endlich ist wieder Fußball. Die Winterpause in der Bundesliga ist vorbei. Gedanken darüber, wie ein Klub im Sauseschritt Legende wird, wie ein Münchner Manager die Weisheit findet, wie Wechsel wirken und über die Meyer’sche Rotationsmaschine
Ach ja. Während in der langen Winterpause Schalke 04 die Umstrukturierung seiner charakterschwachen Belegschaft mutig mit der Trennung von Physio und Ernährungsberater anging und in Köln nach Volkes Wille eine raddadolle Poldi-Monarchie eingeführt wurde; während in Bremen der große Fußballer Diego als kleiner Mann jenseits des Platzes mit einer Schlagersängerin aus Delmenhorst, unkontrolliert nachgefüllten Weingläsern und der Suche nach seinem Führerschein ins Promiklatschfach wechselte; während Joachim Löw seinem Engagement in der Hängematte eines Touristikkonzerns die bezahlte Benutzung von Deutschlands bekanntester Creme hinzufügte, um derart erholt zu erklären, fortan nach Qualität aufzustellen; während all dies und manches mehr geschah, was Argumente liefert, die Winterpause ganz abzuschaffen – trainierte Dorfaufsteiger TSG Hoffenheim in gewohnt innovativer Weise und menschlich tipptopp für die Rückrunde.
Alles stand bestens beim Herbstmeister. Bis zum 14. Januar. Bis Vedad Ibisevic sich ein Kreuzband riss. Als diese teuflische Nachricht aus dem Trainingslager in La Manga in die Heimat vordrang, weinte Fußballdeutschland mit und um Hoffenheim. Die kecken Dörfler hatten doch soooo schön gespielt! Längst hält das Gros der Fußballfans die Dietmar-Hopp’schen-Millioneninvestitionen für klasse. Ja, die TSG ist binnen einer Hinrunde vom kalt kalkulierten Kommerzding zu Everybody’s Darling geworden.
Und dann so ein blöder Kreuzbandriss! Aber, mal davon abgesehen, dass es eine bezaubernde Idee ist, den vielerorts gern unterschätzten Boubacar Sanogo als Ersatz zu verpflichten – Hoffenheim hätte kaum Besseres passieren können. Jetzt können sie ihrem bereits im Hansdampfverfahren eingesammelten Ruhm gleich noch den Ehrenkranz von Mythos und Legende hinzufügen. Bei normalem Verlauf der Dinge, tja, was wäre da passiert: Hätte Ibisevic in der Rückrunde erneut 18 Tore gemacht? Hätte er Hoffenheim zum Titel geschossen? Wäre er der neue Gerd Müller geworden? Oder wäre, wenn nicht das Kreuzband, dann seine Trefferserie gerissen? Wir werden es nie erfahren. Wir dürfen für immer spekulieren. Wer mag, darf bald auch dem designierten Deutschen Meister 2009, Bayern München, nachsagen, er habe die Schale deshalb gewonnen, weil Ibisevic an einem Januarmittwoch sehr, sehr viel Pech hatte. So viel Drama und Legendenbildung im Sauseschritt muss man erst mal hinbekommen als Retortenklub. KATRIN WEBER-KLÜVER
Der Einweiher
Jetzt ist er obenauf. Spätestens, seitdem die Krise, die von der Gauklerhöhle Finanzmarkt unerbittlich auf die sogenannte Realwirtschaft übergriff, das Vermögen des Chelsea-Mäzens Roman Abramowitsch auf lächerliche 3 Milliarden Euro verringert hat, wittert er Morgenluft. Dem Spiegel erklärte sich Uli Hoeneß, und er tat es in einer gelassenen Pose, wie sie nur wirklich großen Menschen gut zu Gesicht steht. Anstatt endlich mal klarzustellen, dass er es doch schon immer gesagt habe, wollte sich Hoeness nicht als Besserwisser, sondern als Aufklärer verstanden wissen, der in die Geheimnisse der Weltwirtschaft einweiht: „Im November habe ich einen Vortrag beim Arbeitgeberverband gehalten und gesagt: Wir stehen vor der größten Problematik seit dem Zweiten Weltkrieg. Die haben mich alle angeschaut, als ob ich bescheuert wäre.“
Hoeness, der offenbar im Gegensatz zu den Kollegen vom Arbeitgeberverband über einen Fernsehanschluss und ein Zeitungsabonnement zu verfügen scheint, erklärte, wie man’s macht: Das Festgeldkonto (ehedem 150 Millionen) ist geschrumpft: „Für die Allianz Arena müssen wir sieben, acht Prozent Zinsen zahlen. Da wäre es dumm, hätten wir nicht etwas vom Festgeldkonto in den Schuldendienst gesteckt.“
Die Bayern glänzen auch im Transfergeschäft: Seitdem Hoeness auf Einkaufstour ging und für Kicker wie Toni, Klose, Ribéry und den Abwehrschrat Breno gut und gerne 80 Millionen Euro an die Exeigner überwies, haben die Bayern (den 10-Millionen-Transfer von Lukas Podolski eingerechnet) ungefähr 55 Millionen Euro selbst eingenommen. Da waren Hargreaves (25 Millionen), Jansen (8 Millionen), Makaay und Santa Cruz (je 5 Millionen) und Schlaudraff (2 Millionen). Ablösefreie Verstärkungen wie Oddo, Borowski, Butt oder auch Donovan zeugen von solidem Wirtschaften. Dass mit Ribéry und Toni zwei Spitzenverdiener geholt wurden und Lahm und Schweinsteiger besser entlohnt werden, wird zum Teil durch den Abschied von Kahn und Sagnol aufgewogen. Hoeness, der 57 Jahre alte Tausendsassa, hat mal wieder alles richtig gemacht.
Inzwischen glauben ihm vermutlich auch die Leute vom Arbeitgeberklub, dass so was Ähnliches wie Krise ist. Und wenn er ihnen bald noch verrät, dass demnächst irgendwann mal ein schwarzer US-Präsident nach Deutschland zu Besuch kommt, wird er wegen erwiesener Prophetie vermutlich standrechtlich zum Wirtschaftsweisen h. c. ernannt.
STEFAN OSTERHAUS
Die Einschläger
Es gibt Spielerwechsel, die sich sofort auszahlen – der Wechsel von Patrick Helmes zu Bayer Leverkusen lässt so (bisher 17 Spieltage und 12 Tore später) in Köln sicherlich Gedanken daran aufkommen, was ein Duo Podolski/Helmes wohl für Erfolg gehabt hätte.
Dann gibt es Transfers, die mit Verzögerung einschlagen. Hoffenheims Vedad Ibisevic, der sich das Prädikat Tormaschine erst in seinem zweiten Jahr für die Kraichgauer aneignen wollte (5 Tore in 31 Spielen 2007/08 vs. 18 in 17 Partien 2008/09), passt in diese Reihe. Selbstverständlich existieren auch solche Transfers zuhauf, deren nachhaltiger Erfolg nicht immer auf den ersten, zweiten oder dritten Blick nachzuvollziehen ist (Podolski/Bayern, Jansen/Bayern, Sosa/Bayern, Breno/Bayern).
Manche Wechselspekulationen sind zudem von einer solchen Hartnäckigkeit gekennzeichnet, dass man sie irgendwie nicht mehr so recht hören mag. „Diego hat bei uns einen Vertrag bis 2011“, muss der schon bemitleidenswerte Werder-Manager Klaus Allofs seit einer halben Ewigkeit neugierigen Qualitätsjournalisten entgegenächzen, die den Spielmacher schon seit über einem Jahr immer wieder mit Juventus Turin in Verbindung bringen. Ähnlich angestrengt auch Uli Hoeneß: Wann kommt Anatoly Timoschtschuk von Zenit St.Petersburg? „Ich habe keine Ahnung, woran es bei ihm noch hakt. Ich rufe den Spieler nicht jeden zweiten Tag an und frage, was los ist,“ so Bayerns Bald-nicht-mehr-oder-doch-noch-länger-Manager jüngst überaus unwirsch. Wenigstens zu Lukas Podolski wird er nun nicht mehr gefragt.
Auch die Hoffenheimer sahen sich in den letzten Wochen, seit der Verletzung Ibisevics, so einigen Vermutungen ausgesetzt. Die Online-Spielerbörse transfermarkt.de spekulierte „Theofanis Gekas zu TSG Hoffenheim?“ oder gar „TSG Hoffenheim interessiert an Marko Pantelic,“ ehe am Mittwoch klar wurde, dass doch der in Bremen unzufriedene (und sicherlich nicht schlechtere) Boubacar Sanogo den Weg in die Provinz antritt. Ein Geschäft, das offensichtlich wenige bis keine Experten vorhersahen. „Es kommt sehr überraschend. Ich bin glücklich und traurig zugleich. Ich habe mich in der Mannschaft und im Verein sehr wohlgefühlt, habe aber in Hoffenheim vielleicht mehr Chancen, zu spielen“, reagierte der 26-Jährige auf das vorübergehende Ausleihgeschäft. In welche Kategorie man diesen Transfer einordnen kann – die Rückrunde wird es zeigen. DAVID DIGILI
Konstante Königs
Bei Hans Meyer, 66, dem Übungsleiter von Borussia Mönchengladbach, weiß man bekanntlich nie, wie viel Ironie er seinen Aussagen beimischt. Zu befürchten ist indes, dass er diesen Satz nach dem vorletzten Test gegen Borussia Dortmund ernst gemeint hat: „Über weite Strecken der ersten Halbzeit haben wir Fußball gesehen.“ Das wäre was Neues gewesen, denn Fußball und Fußball-Bundesligist Borussia hatten seit dem Wiederaufstieg 2008 wenig miteinander zu tun.
Der Vergleich endete 2:4, und das Spiel der Gladbacher war auch mit dreifach neuem Defensivpersonal ähnlich deprimierend wie die gesamte Hinserie. 37 Gegentore, 6 Heimniederlagen, 11 Punkte, Tabellenschlusslicht. Erst probierte Aufstiegstrainer Jos Luhukay so lange an der Formation herum, bis er gehen durfte; dann tat der geliebte neue Extrainer Hans Meyer fast genauso erfolglos das Gleiche. Allein die Defensive: Drei Torhüter durften sich versuchen, sechs Spieler auf rechts, vier auf links und rund ein Dutzend Kombinationen in der zentralen Defensive. In summa liefen 28 Spieler auf.
Borussia ist zur Rotationsmaschine des deutschen Fußballs geworden. Keiner kann die Spieler der vergangenen Jahre mehr zählen. Der Club versucht und versucht, man spricht von Struktur und Mittelfristigkeit und würfelt doch nur neues Personal zusammen. Präsident Rolf Königs ist die einzige Konstante. Es ist sein einziger, sehr persönlicher Erfolg.
Im Winter kamen noch mal vier Neue: der Exbremer Paul Staltieri von Tottenhams Tribüne, mit Logan Bailly aus Genk der vierte Saisontorwart, dazu aus Lüttich Innenverteidiger Dante Bonfim (bislang verletzt) und ein alter Weggefährte von Hans Meyer: der Ex-Nürnberger Tomas Galasek. Der 36-Jährige soll Stratege sein, Spielvorherleser, eine Art Frühwarnsystem auf der Sechser-Position. Außer in seiner tschechischen Heimat wollte ihn niemand mehr, und er sei eben auch „kein Blitz mehr“ (Meyer). Aber Galasek soll, so der Trainer, „die anderen allein durch seine Anwesenheit ein bisschen besser machen“. Der letzte Test klappte ohne Gegentor. Ein Sieg. 1:0 gegen Mlada Boleslav aus Tschechien. Ihren Alex Baumjohann beschimpften die Fans nach seinem Treffer als „Bayernschwein“, weil er im Sommer nach München geht. Baumjohann reagierte gestenreich.
Ruhe ist anders. Die Neuen sind erste Wahl, dann ist man bei 32 Mitwirkenden. Bestmarke am 18. Spieltag. Noch reichen dem VfL (Verein für Ligarekorde) zweistellige Rückennummern. BERND MÜLLENDER