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Archiv-Artikel

„König Aleks“ mit den Zacken in der Krone

Aleksandar Ristic wird heute 60 Jahre alt. Zu seinen guten Zeiten gehörte „König Aleks“ zu den großen Trainern der Fußball-Bundesliga. Der Bosnier schenkte der Liga als Coach in Düsseldorf und Schalke ein „ganz bestimmtes System“

DÜSSELDORF taz ■ Richtig aufgelebt ist Aleksandar Ristic in seinem „Kabuff“. Auf seiner vorletzten Trainerstation bei Rot-Weiß Oberhausen hatte sich der Coach ein Refugium in der Umkleidekabine eingerichtet. In diesem kleinen Arbeitszimmer, nicht größer als zwei Abstellkammern, saß Ristic dann am Schreibtisch. Hinter ihm eine Flipchart-Tafel, vor ihm sein Material: Notizzettel mit Taktik-Entwürfen. Mittendrin Ristic, mit tausend Ideen und mäandernden Reflexionen zum Fußball, seinem Spiel.

1974. Der damals 30-jährige Bosnier Ristic kommt als „Gastarbeiter“ nach Deutschland. Der Sprung von Velez Mostar zu Bundesligist Braunschweig fällt Ristic nicht schwer. Beim „Jägermeister“-Club setzt er sich durch, schießt in 78 Spielen drei Tore. Seine wahre Berufung findet Ristic nach seinem Karriereende als Trainer. 1978 ging er zum HSV, wurde Assistent der Groß-Trainer Branko Zebec und Ernst Happel. In dieser Zeit soll Zebec über seinen fleißigen Helfer gelästert haben: „Das wird nie ein großer Trainer.“ Ein Irrtum.

Die Fußball-Öffentlichkeit wird Ristic wohl in Erinnerung behalten als Trainer-Kauz und „König Aleks“ bei Fortuna Düsseldorf und Schalke 04. Vom Ende der 80er bis Mitte der 90er Jahre irrlichterte Ristic an der Seitenlinie, verteilte Bonbons an Linienrichter, trohnte während des Spiels auf einem mächtigen Reklame-Sessel des Klebstoff-Fabrikanten Pattex. Die Medien bediente Ristic mit lustigen Auftritten – etwa als Weihnachtsmann verkleidet bei Pressekonferenz in Düsseldorf. Legende ist sein fremdelnder Satzbau, sein Jugo-Akzent: „Mit Sicherheit, kannst Du auch mit defensive Aufstellung offensiv spielen.“ Während humorlose und leicht beleidigte Übungsleiter wie Otto Rehagel und Ottmar Hitzfeld mit Politikerernst über das Spiel dozierten, machte Ristic Sprüche wie: „Weisweiler und Happel sind tot, Hitzfeld ist bei den Bayern. RWO hat den besten Trainer, den man kriegen kann.“ Nach Niederlagen lebte Ristic auf: „Wenn man ein 0:2 kassiert, dann ist ein 1:1 nicht mehr möglich.“

Umstritten war Ristic trotzdem. Das aufkeimende Sport-Feuilleton der großen Qualitätsblätter störte sich am Hang des Ex-Jugoslawen zum defensiven Spiel. In der mittlerweile eingestellten Sat1-Fußballshow ran hetzten „Experten“ wie Jörg Dahlmann und Reinhold Beckmann in der Saison 1995/96 gegen den „Beton-Fußball“ von Fortuna Düsseldorf. Doch Ristics „ganz bestimmtes System“ mit meistens nur einem Angreifer war eben nicht destruktiv, sondern schenkte den Zuschauern phasenweise wunderschönen Konterfußball – etwa beim 3:1-Pokalsieg gegen die Bayern im Herbst 1995. An seine Grenzen stieß dieses Konzept freilich, wenn Ristics Team auf eine ähnlich zurückhaltende Mannschaft traf (das 0:0 zwischen dem MSV Duisburg und Düsseldorf am 19. Oktober 1996 wurde so zum schlechtesten Bundesliga-Spiel aller Zeiten).

Ristic ärgerte sich über die System-Kritiker. Vor zwei Jahren sagte er im taz-Interview auf die Frage, was für ihn moderner Fußball sei: „Ganz einfach, wenig Tore kriegen, viele Tore schießen.“ Dem grinsenden Fragesteller ermahnte er: „Lachen Sie nicht.“ Der Bundesliga warf Ristic vor, „naiven Fußball“ zu spielen und lehnte eine oberflächliche Modernisierung des Spiels ab. „Fußball ist ein Spiel, das man ganz genau spielen muss.“

Seinen Geburtstag feiert Ristic heute in Düsseldorf – als Privatier im Kreis der Familie. Sein letztes Engagement bei Union Berlin war im Sommer mit dem Abstieg aus der 2. Liga geendet. „König Aleks“ ist dadurch kein einziger Zacken aus der Krone gebrochen. MARTIN TEIGELER