: Karriere in der zweiten Reihe: Christa Thoben
Sie war Staatssekretärin in Bonn, Kultursenatorin in Berlin – doch in Essen wird die selbst in der CDU unbeliebte Christa Thoben nur übergangsweise Administratorin des Regionalverbands Ruhrgebiet. Die Geschichte eines Abstiegs
Noch könnte sie Ministerin werden. Im Schattenkabinett von CDU-Oppositionsführer Jürgen Rüttgers ist Christa Thoben als Chefin des Wirtschaftsressorts gebucht. Fest gebucht ist sie nicht: Sollte die CDU bei den Landtagswahlen nicht wider jedes Erwarten die absolute Mehrheit erreichen, wird die FDP den Wirtschaftsminister stellen. Wie zu oft in ihrer Karriere wird die 62-Jährige kurz vor dem großen Erfolg scheitern.
Thoben polarisiert: Unterstützt von der Ruhrgebiets-CDU um den mächtigen Bundestagsabgeordneten Norbert Lammert engagiert sie sich mit ihrer neuen Position als Administratorin des Regionalverbands Ruhrgebiet (RVR) wieder verstärkt in Nordrhein-Westfalen. Doch vielen Christdemokraten gilt die in Dortmund geborene Volkswirtin als arrogant: Thoben sei zu unvoreingenommener Diskussion nicht fähig, ist gerade aus dem Arbeitnehmerflügel der Partei zu hören. Die ehemaliger Hauptgeschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer Münster sei knallharte Lobbyistin des Unternehmerlagers. „Wählen Sie doch, was Sie wollen“ – selbst auf CDU-Wahlveranstaltungen werfe die stellvertretende Landesvorsitzende Sympathisanten bei Kritik einfach hinaus, klagen auch Parteifreunde aus dem Ruhrgebiet.
Für die ehrgeizige Thoben reichte es deshalb nur für eine Karriere in der zweiten Reihe: Höhepunkt war 1995 ihre Ernennung zur Staatssekretärin im Bonner Bundesbauministerium. Dort übernahm sie den ungeliebten Job der Umzugsbeauftragten, organisierte reibungslos den Wechsel der Regierung an die Spree. Der danach geplante Wechsel in die Landespolitik aber scheiterte. In einer Kampfabstimmung um den Landesvorsitz der Partei scheiterte die damalige stellvertretende Bundesvorsitzende an Jürgen Rüttgers – und an dem wenig profilierten Landtagsfraktionschef Helmut Linssen.
Unrühmlich auch Thobens eigener Ausflug nach Berlin: Nach nur vier Monaten als Kultursenatorin gab die immer knapp und selbstbewusst Auftretende im März 2000 auf – aus „finanziellen und personellen“ Gründen. „Wir brauchen mehr Mäzene“, seufzte die Wirtschaftswissenschaftlerin, die gern öffentlich über eine selbstorganisierte, auf „Freiwilligenarbeit“ basierende Bürgergesellschaft nachdenkt. Vorausgegangen war ein Zerwürfnis mit Berlins damaligem CDU-Bürgermeister Eberhard Diepgen, der Thoben selbst ins Kabinett geholt hatte. Der Regierende habe bereits nach 120 Tagen eine „unliebsame Konkurrentin“ in der Bochumerin erkannt, schrieb die Welt.
Jetzt also der RVR, den Thoben ab Oktober für sieben Monate führen soll. Umstritten bleibt die ehemalige Referentin des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung auch hier: Ohne Gegenkandidat konnte sie trotz CDU-Mehrheit im Ruhrparlament wohl nur mit Hilfe eines Grünen gewinnen – ein Christdemokrat war vor der Wahl gegangen. Doch Thoben ficht das nicht an. Ihr Motto für das Intermezzo: „Wir können mehr.“
ANDREAS WYPUTTA