: Grüner Zweig ungeschützt
Krach im Senat: Wirtschaftsbehörde blockiert Anmeldung von Naturschutzgebieten bei der EU, weil sie die Elbe noch mehr ausbaggern möchte. Hamburg drohen deshalb Bußgeldzahlungen bis zu 800.000 Euro – pro Tag
von SVEN-MICHAEL VEIT
Von einer „generellen Skepsis“ könne nun wirklich „keine Rede sein“, beteuert Christian Saadhoff. Bisweilen aber gebe es schon eine Diskrepanz zwischen Wirtschafts- und Umweltinteressen, räumt der Sprecher der Hamburger Wirtschaftsbehörde ein. Gewöhnlich obsiegt in dieser Stadt in solchen Zweifelsfällen das ökonomische Argument, dieses Mal aber ist das zweifelhaft. Denn Hamburg drohen Bußgeldzahlungen bis zu satten 800.000 Euro täglich, wenn die Stadt ihre ökologisch wertvollen Gebiete nicht umgehend schützt und dies an Bundesregierung und EU-Kommission meldet.
Und deshalb gibt es erstmals offenen Krach zwischen der ansonsten so zurückhaltenden Umwelt- und der Wirtschaftsbehörde. Letztere stoppte am Dienstag eine Vorlage von Umweltsenator Peter Rehaag (Schill), welcher sieben Gebiete nach der EU-Richtlinie Flora-Fauna-Habitat unter Schutz stellen will. Es sei „nicht sicher, dass jedes Gebiet wirklich notwendig ist“, begründet Saadhoff die Blockadehaltung seines Senators Gunnar Uldall (CDU). Es müsse noch „geprüft“ werden, ob dort nicht noch „Projekte geplant sind oder werden könnten“.
„Wir müssen uns jetzt zusammenraufen“, räumt Rehaags Sprecher Volker Dumann ein, „um auf einen grünen Zweig zu kommen.“ Er sei aber optimistisch, dass „kurzfristig“ eine Lösung gefunden werde. Eine ungewöhnlich offensive Haltung der Umweltbehörde, die einen starken Partner an ihrer Seite wähnt: Denn angesichts der hohen Strafen dürfte ein Machtwort von Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) zu ihren Gunsten ausfallen.
Nicht so eng sehen Uldalls Mannen es bei Boberger Niederung, Wittmoor und Höltigbaum. Strittig sind hingegen drei Gebiete an der Elbe, welche die Wirtschaftsbehörde nicht so einfach hergeben will. Das nördliche Elbufer zwischen Blankenese und der westlichen Stadtgrenze, das Ostufer der Norderelbe von Kaltehofe stromaufwärts sowie das Heuckenlock an der Süderelbe. Deren Ausweisung als FFH-Schutzgebiete würde, so die Befürchtung, das weitere Ausbaggern der Elbe unmöglich machen. Hamburgs vermeintlicher Lebensnerv aber, der Containerverkehr im Hafen, ist vornehmlich für das Amt Strom- und Hafenbau in der Wirtschaftsbehörde das Schützenswerteste überhaupt in der Hansestadt.
„Völlig unverständlich“ findet das Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND). Mitte Juni wurden die Gebietsanmeldungen zwischen Umweltbehörde und den Naturschutzverbänden abgestimmt, berichtet er: „Es gab aus fachlicher Sicht keine Einwände.“ Die Wirtschaftsbehörde, kritisiert Braasch, „mauert mal wieder“.
Dabei muss sie sich so übermäßige Sorgen gar nicht machen. Das Mühlenberger Loch war auch mal ein FFH-Schutzgebiet. Für das Airbus-Werk aber machte die EU eine Ausnahme. Wegen dessen „überragender ökonomischer Bedeutung“.