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Archiv-Artikel

Der Geist, der auf dem Teppich reist

Sie handeln auf Befehl von oben: Sirqüs Alfo’n aus dem schwedischen Norrköpping treten in Uniformen auf, tanzen Breakdance und covern Hits von Daft Punk und Shakira. In diesen Tagen sind sie letztmalig in Berlin zu erleben

Martin Östman hat eine einfache Erklärung, warum er sich täglich einen Schnurrbart ins Gesicht klebt: „Alfons hat gesagt, wir sollen das machen.“ Dieser Alfons sieht es nicht nur gern, wenn Östman Bart trägt. Er verlangt auch, dass der Kontrabassist aus Schweden in ein rotes Oberhemd und eine extrem kurze Hose schlüpft. Damit nicht genug: Auch Östmans Musikerkollegen von Sirqüs Alfo’n müssen die Uniform tragen, wenn sie ihre Straßenkonzerte geben. Alfons schwebt ständig über den drei jungen Musikern und Sänger Erik Rosales aus dem schwedischen Norrköping. Alfons ist der Manager, der gute Geist, der für gewöhnlich auf einem fliegenden Teppich reist.

Ganz gewiss war es auch Alfons’ Plan, die Band nach Berlin zu bringen. Bis zu zwölfmal täglich ist Sirqüs Alfo’n“ – zu Deutsch: Alfons’ Zirkus – im vergangenen Monat vor Kneipen und Cafés aufgetreten. Die Auftritte verlaufen nach dem immer gleichen Ritual: Die Musiker bauen ihre Instrumente auf, kleben sich die Bärte an und scheinen kurz darauf einzufrieren. Von irgendwoher taucht Sänger Rosales auf, nähert sich wie ein ferngesteuerter Roboter der Band, um die erstarrten Kollegen für den ersten Song abzutauen. Die Aufmerksamkeit der Passanten ist „Sirqüs Alfo’n“ sicher. Um die Band bilden sich große Menschentrauben – die Mischung aus Pantomime und Musik zieht einfach an.

Wahrscheinlich braucht es einen unsichtbaren Antreiber, um besondere Straßenkunst zu machen. Wer steckt schon gerne freiwillig in Klamotten, die schwer an russische Schuljungen erinnern? Dazu diese Instrumente: Drummer Henrik Strindberg prügelt mit krummen Rücken wie wild auf ein winziges Kinderschlagzeug ein. Markus Jägerstedt, eigentlich studierter Pianist, bläst auf einer Melodica, einer Kreuzung aus Keyboard und Flöte.

Mit Smokinghose und Rüschenhemd fällt Sänger Rosales zwar kleidertechnisch etwas aus dem Rahmen. Dafür verzerrt er mit einer Miniaturflüstertüte seine Stimme. Mal singt er, mal rappt er. Mal gibt er den Master of Ceremony, animiert die Zuschauer zum Klatschen und Tanzen. Oder aber er tanzt selber, mit Vorliebe Breakdance: Ohne Rücksicht auf Verluste rotiert Rosales über die holprigen Berliner Bürgersteige.

Was dabei am Ende rauskommt, ist eine Mischung aus Reggae, moderner Elektronik und Klezmer. Die Schweden covern Songs von Fat Boy Slim, Daft Punk, Manu Chao oder auch mal Shakira. Täglich kommen neue Stücke dazu wie „Das Model“ von Kraftwerk – sozusagen als Verneigung vor dem Gastland. Alfons hat seine Jungs zur Geschäftstüchtigkeit erzogen: Beim letzten Song streift Markus Jägerstedt mit Klingelbeutel durch die Zuschauer und verkauft die selbst produzierte CD. In Berlin haben sie rund 1.200 davon unters Volk gebracht. „Wir kamen gar nicht mit dem Brennen hinterher“, stöhnt Östman stolz.

Ein Jahr ist es schon her, dass Alfons den vier Schweden sein Straßenkunstkonzept zugeflüstert hat. Die erste Stadt, in der sie damals gastierten, war ausgerechnet Berlin. Danach verlegten sie sich erst einmal auf die nordische Heimat, wo der Zirkus inzwischen ein viel gebuchter Festival-Act ist. Beim zweiten Berlin-Gastspiel, der in diesen Tagen leider endet, hatten die vier also durchaus einen Ruf zu verteidigen. Das gestaltete sich mitunter schwierig: Nachdem ihnen Jugendliche die Bärte abgerissen hatten, mussten sie ein Konzert am Ku’damm abbrechen. Meistens jedoch gelingt es „Sirqüs Alfo’n“ schnell, das Publikum zu erobern. Das wird vor allem Alfons freuen. MARTIN GROPP

Die CD kann man unter www.sirqusalfon.com ordern. Einer der letzten Auftritte heute um 17 Uhr am Potsdamer Platz vor den Arkaden