nebensachen aus porto alegre
: Die Globo-Soaps machen es möglich: Brasilien, wie das Bürgertum es sich erträumt

Wer hat den greisen Medienzar Lineu Vasconcelos ermordet? War es der ehrgeizige Klatschkolumnist Renato Mendes? Oder Ana Paula, die missgünstige Schwester der erfolgreichen Konzertagentin Maria Clara Diniz? Die Frage hat in den vergangenen Tagen Millionen BrasilianerInnen beschäftigt. Bei einer Einschaltquote von 63 Prozent flimmerte am Freitagabend die 221. und letzte Folge der Globo-Soap „Celebridade“ („Berühmtheit“) in Brasiliens Wohnzimmer.

Erfolgsregisseur Gilberto Braga hatte ein „moralisches Ende“ angekündigt. Platz genug also für die allerletzten tränenreiche Szenen voller Pathos, die zu jeder Soap gehören: Beatriz, die ewig verbitterte Tochter des Patriarchen Lineu, versöhnt sich mit ihrem Sohn Inácio, Maria Claras Vertraute Noêmia ehelicht Cristiano, den Chefredakteur der Illustrierten „Fama“, ebenso das Beinahe-Sternchen Darlene ihren langjährigen Verehrer Vladimir.

Aber auch für Action ist gesorgt. Die Oberschurkin Laura entführt das Kind Maria Claras. Beim anschließenden Showdown in Lauras von Polizeieinheiten umringten Villa werden zunächst ihr Lover und Komplize Marcos, anschließend sie selbst von Klatschkolumnist Renato niedergeschossen. Bevor sie ihr Leben aushaucht, bleibt in einer langen Rückblende Zeit für die Auflösung des Rätsels: Laura selbst hat Lineu nach einem misslungenen Erpressungsversuch erschossen. Dem Medienimpresario nämlich gelang es, die Hintergründe jener Episode zu vertuschen, die am Anfang von Maria Claras Erfolgskarriere stand: Der Schlager, mit dem sie vor Jahren berühmt wurde, war geklaut. Laura, eine junge Frau aus einfachen Verhältnissen, hatte davon erfahren und ihre Chance gesehen, durch die Enthüllung Maria Clara zu „vernichten“.

„Celebridade“ gehört zum Typ der „urbanen“ Globo-Telenovelas, die sich vorzugsweise in den Luxusapartments von Rio de Janeiro abspielen. Favelas gibt es nicht, aber viel Samba und viel echte Prominenz, von Simply-Red-Sänger Mick Hucknall bis Pelé. Ähnlich wie im bürgerlichen Drama sind die meist unfreiwillig komischen Rollen für VertreterInnen des „Volks“ reserviert, die auch schon einmal dunkler Hautfarbe sein dürfen. Die existenziellen Familien- und Liebesdramen, die meisten Intrigen werden in den geschlossenen Kreisen der „Mittelklasse“ ausgemacht, wie sich die Angehörigen von Brasiliens obersten zehn Prozent gerne selbst nennen.

Unter solchen Bedingungen ist sozialer Aufstieg nur mit ungewöhnlicher krimineller Energie möglich, fast wie im wirklichen Leben. Aber in der Globo-Novela ist er von vornherein zeitlich begrenzt. Laura, mit unendlichem Hass auf die „Tochter aus gutem Hause“ Maria Clara, lässt nicht locker, bis sie sich ihr eigenes Grab geschaufelt hat.

Schließlich ist die gesellschaftliche Ordnung wieder im Lot: Die Antihelden sind tot, verhaftet oder der Lächerlichkeit preisgegeben. Alle anderen ziehen sich in die Familienidylle zurück. Auch im Vasconcelos-Imperium, einer durchsichtigen Chiffre für den Globo-Konzern des Marinho-Clans, haben sich die integren Führungskräfte durchgesetzt. Und den Segen zu alldem, mit dem Lied „A Paz“ und einem Samba, gibt zum Ausklang Kulturminister Gilberto Gil höchstpersönlich.

GERHARD DILGER