: Niederlage für Bush-Regierung
Oberster Gerichtshof der USA entscheidet: Guantánamo-Gefangene dürfen sich vor US-Gerichten verteidigen. US-Regierung muss internationale Konventionen achten
WASHINGTON taz ■ Die Gefangenen im Internierungslager Guantánamo Bay auf Kuba haben das Recht auf einen Prozess vor amerikanischen Gerichten. Sie können das US-Justizsystem nutzen, um gegen ihre Gefangenschaft zu klagen. Dies entschied der Oberste Gerichtshof der USA am Montag. „Der Kriegszustand ist kein Blankoscheck für den Präsidenten, wenn die Rechte der Staatsbürger berührt sind“, sagte Richterin Sandra Day O'Connor.
Das Urteil gilt als schwere Niederlage für die US-Regierung. Präsident Bush und Justizminister John Ashcroft hatten wiederholt argumentiert, dass der US-Militärstützpunkt Guantánamo außerhalb amerikanischen Hoheitsgebietes liege und die Häftlinge als Ausländer keinen Zugang zu US-Gerichten hätten.
In Guantanamo werden rund 600 mutmaßliche Taliban-Kämpfer und Al-Qaida-Terroristen seit zwei Jahren ohne Anklage, Rechtsbeistand und Kontakt zu ihren Familien interniert. Die meisten von ihnen wurden in Afghanistan verhaftet. Bush deklarierte sie als so genannte „ungesetzliche oder feindliche Kämpfer“. Damit wurde ihnen der Anspruch auf eine Behandlung nach den Genfer Konventionen verweigert.
Erklärtes Ziel der US-Regierung war es, von den Häftlingen möglichst viele Geheimdienstinformationen zu erhalten. Diese Gefangenenpolitik wurde weltweit scharf kritisiert. Nach Recherchen von Menschenrechtsgruppen und eigenen Angaben des US-Militärs sind nur 50 Gefangene von „geheimdienstlichem Wert“ und in terroristische Handlungen verwickelt.
In einem zweiten richtungsweisenden Urteil entschieden die obersten Verfassungshüter, dass der Amerikaner und „feindliche Kämpfer“ Yaser Essam Hamdi „fraglos“ das Recht auf eine Anhörung vor einem US-Gericht hat. Hamdi wurde zunächst in Guantánamo festgehalten. Als sich herausstellte, dass er US-Staatsbürger ist, wurde er in ein Militärgefängnis in den USA verlegt. Beobachter glauben, dass die Richter vom Folterskandal im irakischen Gefängnis Abu Ghraib beeinflusst worden sind, der ein eindringliches Beispiel dafür gab, wie mangelnde Kontrolle von politischer und militärischer Macht zu Missbrauch führt. MICHAEL STRECK