: Don Quichotte von Bocholt: Heinz Cholewa
Nach der Einigung auf die 40-Stunden-Woche beim Bocholter Siemens-Werk ist Gewerkschaftsmann Heinz Cholewa für CDU-Politiker ein Held. Für einige Arbeiter ist der Erste Bevollmächtigte der IG Metall dagegen der Buhmann
Es war ein trauriger Auftritt. Als Heinz Cholewa den Siemens-Beschäftigten in der vergangenen Woche mitteilte, dass sie zur Rettung ihrer Arbeitsplätze die 40-Stunden-Woche und Lohneinbussen akzeptieren müssen, war die Stimmung in Bocholt am Tiefpunkt. „Der war am Heulen“, sagt ein Siemens-Arbeitnehmer über die Rede des IG Metall-Bevollmächtigten.
Wenige Tage nach der Entscheidung im Machtkampf zwischen IG Metall und Siemens scheint Heinz Cholewa mit dem Thema abgeschlossen zu haben. „Sie wollen noch mal was bringen?“, fragt er, als ob die Angelegenheit mit der Einigung zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften aus der Welt sei. In Bocholt und Kamp-Lintfort sind 2.000 Jobs in der Handy-Produktion vorerst gesichert – doch die große Diskussion über längere Arbeitszeiten hat mit dem Bocholter Kompromiss erst begonnen. „Dammbruch“, jubeln die Arbeitgeber. Was in Bocholt geklappt hat, soll jetzt auf möglichst viele Firmen ausgedehnt werden. In der Tagesschau sprechen bürgerliche Politiker und Unternehmer vom „Modell Bocholt“, die CDU-Bundesvorsitzende Angela Merkel findet die Lösung in der münsterländischen 70.000-Einwohner-Stadt ganz toll, CDU-NRW-Chef Jürgen Rüttgers hat Cholewa gleich mehrfach für seine „patriotische Leistung“ gelobt.
Heinz Cholewa wehrt sich gegen die Lobhudeleien. „Die Politiker schlachten das jetzt ideologisch aus“, sagt er. Geholfen hätten die Rüttgers und Merkels nicht bei den schwierigen Verhandlungen. Im Nachhinein hat sich bewahrheitet, was Cholewa im März zu Beginn der Auseinandersetzung gesagt hat. Als Siemens-Chef Heinrich von Pierer mit Arbeitsplatzverlagerungen nach Ungarn drohte, falls die beiden NRW-Werke nicht Kosten einsparen, hatte Cholewa den Kollegen wenig Hoffnung gemacht: „Aber gegen einen Arbeitsplatzabbau dieser Größenordnung kann eine lokale IG Metall auch mit noch so viel Fantasie nicht ankommen.“ Manchmal fühle er sich wie Don Quichotte, sagte Cholewa damals im taz-Interview.
Den Kampf für die Bocholter Arbeitsplätze hat Cholewa gewonnen, trotzdem konnte der 53-Jährige den „Dammbruch“ gegen die 35-Stunden-Woche nicht aufhalten. Der Gewerkschafter Cholewa, der mit 15 Jahren als Schweißer bei Krupp in Essen seiner IG Metall beitrat, der in den 1980er Jahren als junger Vertrauensmann und Betriebsrat für die Arbeitszeitverkürzung gekämpft hat, hat eine Niederlage einstecken müssen.
Verkehrte Welt: Während CDUler den Gewerkschafter loben, wird bei den Kollegen auch Kritik an Cholewa laut. „Einige sind sauer auf den Heinz“, so ein Siemens-Mitarbeiter. Der Mann bekommt bei längerer Arbeitszeit nun unter dem Strich 150 Euro weniger im Monat.
MARTIN TEIGELER
Mitarbeit: Holger Pauler