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Archiv-Artikel

Keine Art und Waise

Hamburgs Ausländerbehörde will allein diese Woche vier ghanaische Kinder ihren Müttern wegnehmen und ins Waisenhaus abschieben. Nur: Die angegebenen Heime in Ghana nehmen sie gar nicht auf. 14-Jähriger wird mit Haft gedroht

von ELKE SPANNER

Allein für diese Woche hat die Ausländerbehörde die Abschiebungen von vier Kindern geplant, die ihren legal in Hamburg lebenden leiblichen Müttern weggenommen und in Ghana ins Waisenhaus gebracht werden sollen. Der erste Versuch ist gestern nur gescheitert, weil die 14-jährige Barbara O. nicht zu ihrer Abschiebung am Flughafen erschienen ist. Für heute und morgen sind weitere Termine angesetzt: Heute soll der 14-jährige Thomas Akabori A. nach Ghana ausreisen, für morgen ist die Abschiebung der Schwestern Gifty (14) und Sylvia Oppong (13) angesetzt (taz berichtete).

Im Fall von Barbara O. hat Ausländerbehördensprecher Norbert Smekal angekündigt, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, das Mädchen nach Westafrika zu bringen. In der Ausreiseaufforderung hatte die Ausländerbehörde damit gedroht, die 14-Jährige in Haft zu nehmen.

Gegenüber der taz hat Smekal eingeräumt, nicht einmal zu wissen, wo die Kinder in Ghana untergebracht werden sollen. Die Behörde hätte deren Ankunft bei den ghanaischen Behörden gemeldet, und die seien dafür zuständig, sich um die Kinder zu kümmern. „Wir können ihnen ja nicht vorschreiben, in welches Waisenhaus sie Kinder bringen sollen.“ Auf den Einwand, dass die Mütter sicher zumindest die Adresse haben wollen, an der ihre Kinder fortan leben sollen, zeigte er sich überzeugt, dass „die ghanaischen Behörden einen Kontakt der Kinder zu ihren Eltern ermöglichen werden“.

Den Anwälten der Kinder und auch dem Verwaltungsgericht gegenüber hatte die Behörde angekündigt, dass die Mädchen und Jungen entweder über das „Department of Social Welfare“ ins „Osu children‘s home“ in der Hauptstadt Accra oder ins Kinderheim der Organisation „Children‘s Helpwork for Ghana“ kommen. Das „Osu children‘s home“ nimmt nach Recherchen der taz aber nur Kinder bis zum Alter von zwölf Jahren auf; die vier Betroffenen sind jedoch 13 und 14 Jahre alt. Und: Der Anwalt der Schwestern Oppong, Anton Eger, hat herausgefunden, dass „Children‘s Helpwork for Ghana“ über gar keine Unterbringungsmöglichkeit verfügt. Die Organisation wäre allenfalls bereit, eine Unterkunft für die Kinder in Ghana suchen zu gehen.

Die Anwälte sind vors Verwaltungsgericht gezogen, um die Abschiebungen zu stoppen. Vergeblich: Das VG hat sie für zulässig erklärt – unter anderem unter Verweis auf die Behauptung der Ausländerbehörde, für die Unterbringung der Kinder in ghanaischen Waisenhäusern gesorgt zu haben. Im Übrigen sei in den jeweiligen Einzelfällen nicht hinreichend dargelegt, dass die Mädchen und Jungen keine Verwandten in Ghana haben. Im Falle der Schwestern Oppong fanden die RichterInnen, dass das Argument, die von der Ausländerbehörde genannten Kinderheime seien nicht existent oder nähmen nur jüngere Waisen auf, „nicht belegt, dass die Kinder keinerlei Schutz oder Fürsorge erreichen könnten“.

Nun hat das Oberverwaltungsgericht über das Schicksal der vier zu entscheiden. Ihre Anwälte haben dort Beschwerde eingereicht. Anwalt Eger hofft, dass sich zumindest dort die RichterInnen eine Anregung zu Herzen nehmen, die zuvor unberücksichtigt geblieben ist: „Die Sachbearbeiter der Ausländerbehörde“, schrieb er zuletzt ans Verwaltungsgericht, „mögen jeweils für sich die Frage beantworten, welchen Maßstab sie bei ihren eigenen schulpflichtigen Kindern hinsichtlich Sicherheit, Versorgung, Unterbringung, Aufsicht und Betreuung allein bei einer Klassenreise anlegen und diesen Maßstab dann auch hier anwenden.“