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Archiv-Artikel

„Kein Drang, präsent sein zu müssen“

Marokko feiert heute Nationalfeiertag. Berlin wird für ihre Landsleute attraktiver, sagt Dozentin Bensalah-Mekkes

taz: Frau Bensalah-Mekkes, in Berlin leben offiziell 1.250 MarokkanerInnen – nicht sehr viele, aber genug, um sich kulturell bemerkbar zu machen. Bis vor kurzem gab es jedoch nicht einmal ein marokkanisches Restaurant in der Stadt. Woran liegt das?

Souad Bensalah-Mekkes: Ich muss selber zugeben, dass ich erst von einem mexikanischen Arbeitskollegen erfahren habe, dass es jetzt dieses marokkanische Restaurant in der Gipsstraße in Mitte gibt. Dass es so was erst jetzt gibt, ist sicher auch eine Kostenfrage, denn die marokkanische Küche ist sehr aufwändig, das sind also eher teure Restaurants.

In Paris bietet sich ein ganz anderes Bild, da sind Marokkaner sehr präsent. Das hat natürlich eine Vorgeschichte, Frankreich als Kolonialmacht im Maghreb. Warum kommen Marokkaner nach Berlin?

Deutschland zieht sie als Auswanderungsland nicht an. Sie kommen hierher, weil sie Arbeit gefunden haben, sehr häufig, weil sie hier studieren möchten, oder einfach, weil der Partner hier lebt. Bislang war aber Berlin nicht attraktiv. Hier sind im Vergleich zum Düsseldorfer oder Frankfurter Raum daher auch nur wenige Marokkaner.

Hat sich das seit der Wende verändert?

Ja, ich höre von immer mehr Marokkanern, dass sie gezielt für ein Studium nach Berlin kommen wollen.

Gehen die Marokkaner hier in der großen arabischen Migrantenszene unter?

Ich würde sagen, wir Marokkaner haben gar nicht den Drang, präsent sein zu müssen. Wir möchten einfach normal integriert sein. Sicherlich wird hier nicht immer sehr deutlich unterschieden, ob einer Tunesier, Algerier oder Libanese ist, das ist gut möglich – und von der Zahl her gehen wir natürlich im arabischen Berlin unter.

Hat das zur Folge, dass Sie mit dem generellen Misstrauen bedacht werden, dass hier oft arabisch aussehenden Migranten entgegengebracht wird?

Ich kann sagen, dass der Blick der Deutschen auf islamische und arabische Länder eher skeptisch ist. Eine undifferenzierte Haltung, was die Gleichsetzung von Islam, Islamismus und dann Terrorismus angeht, habe ich selbst zum Glück aber nie erlebt.

Auch nicht nach dem jüngsten Attentat islamistischer Fundamentalisten in Casablanca?

Nein, ich glaube nicht, dass Marokkaner jetzt mit Islamismus und Terrorismus in Zusammenhang gebracht werden. Eher gilt Marokko im Vergleich zu anderen Ländern der Region als nicht extremistisch. Immerhin reisen sehr viele Deutsche hin.

Sie sind selbst aktiv in einem Verein zur deutsch-arabischen Verständigung.

Ja, das ist der Kulturverein „Alqantara – Die Brücke“. Den gibt es schon seit 20 Jahren. Unser Vorteil ist, dass wir deutsche Mitglieder haben und arabische aus fast allen arabischen Ländern. Wir versuchen, den Deutschen arabische Kultur zu vermitteln, indem wir Literaten, Musiker, Künstler einladen. Umgekehrt möchten wir auch, dass die arabischen Migranten die deutsche Kultur kennen lernen und sich ihr öffnen.

Heute ist der marokkanische Nationalfeiertag. Wie feiern Sie den?

Na ja, wir feiern den wie die Deutschen den 3. Oktober oder die Franzosen den 14. Juli. Man freut sich eben über einen freien Tag. Richtig gefeiert werden eher die islamischen Feiertage, wie zum Beispiel das Opferfest. Ich weiß nicht einmal genau, welches Datum wir mit dem Nationalfeiertag begehen. INTERVIEW:

ADRIENNE WOLTERSDORF