: Ein Mann ohne Feinde in Washington
John C. Danforth ist der neue US-Botschafter bei den Vereinten Nationen. Zuletzt hielt er Reagans Totenmesse
Sie nennen ihn den „heiligen Jack“. Exsenator John C. Danforth aus Missouri, der in der polarisierten US-Hauptstadt das Kunststück vollbracht hat, keine Feinde zu haben, ist seit heute im Hauptberuf Botschafter der USA bei den Vereinten Nationen. Für seinen Nebenberuf dürfte er sich auch weiterhin zu besonderen Anlässen den Talar umhängen.
Den meisten Amerikanern ist Danforth momentan eher als Priester denn Politiker in Erinnerung, da er jüngst die Messe für den verstorbenen Ronald Reagan las. Er zelebrierte auch die Totenmesse für Senator John Heinz, dem früheren Ehemann von Teresa Heinz, der jetzigen Frau von John Kerry. Auch bei der Andacht für die verstorbene Herausgeberin der Washington Post, Katharine Graham, stand er auf der Kanzel.
Der 68-jährige Republikaner ist Pfarrer der Episkopalkirche und Jurist. Nach seiner Ausbildung an den Eliteuniversitäten Yale und Princeton war er Justizminister in Missouri, bevor er von 1976 bis 1995 dreimal in den US-Senat gewählt wurde. Es gab Zeiten, da ging er direkt vom Altar zu den sonntäglichen Polit-Talkshows.
Dennoch ist Danforth kein religiöser Eiferer. Glauben war für ihn stets Privatsache. Zum Leidwesen der christlichen Rechten wurde er kein lautstarker Kritiker der Abtreibung, auch wenn er sie ablehnte. Er plädierte gegen Schulgebete, die Todesstrafe und für die ausdrückliche Trennung von Kirche und Staat. Beliebt war er daher auch bei den Demokraten.
Einhellig wird Danforth als integer, ehrlich und vertrauensvoll charakterisiert. Er ist kein Machtmensch, keiner, der seine politische Karriere aktiv-ehrgeizig betreibt. Zumeist wird er berufen. Wie am zweiten Juni, als Präsident Bush bei ihm anrief, um ihm den UNO-Job anzubieten. Er erinnert sich, wie Bush ihm sagte, die UNO sei wichtig und man könne den Kampf gegen den Terror nicht ohne sie gewinnen. „Das fand ich bemerkenswert, da ich von Amerikanern immer wieder mit der Frage konfrontiert werde, wozu wir die UNO eigentlich brauchen.“
Danforths Ernennung wird in Washington uneingeschränkt unterstützt. Richard Holbrooke, UNO-Botschafter unter Bill Clinton, pries ihn als „exzellente Wahl“. Er sei ein Mensch mit Verhandlungsgeschick. Anders als sein Vorgänger John Negroponte verfügt er jedoch über wenig diplomatische Erfahrung. Immerhin machte er sich als Konfliktschlichter einen Namen. Bush schickte ihn zu Beginn seiner Amtszeit als Sondergesandten in den Sudan, wo er Sudans Regierung und die südsudanesischen SPLA-Rebellen erfolgreich dazu überredete, Friedensverhandlungen aufzunehmen.
In der Hauptstadt wird dennoch spekuliert, ob Danforth nur eine Übergangslösung darstellt und der Posten bei der UNO als Sprungbrett zu höheren Weihen dient: zum nächsten Außenminister, sollte Bush im Herbst die Wahl gewinnen und der amtierende Chefdiplomat Colin Powell wie angekündigt in Rente gehen.
MICHAEL STRECK