: Kommunen bereuen die Privatisierung
Kiel will seine Verkehrsbetriebe „rekommunalisieren“, Bremen könnte in diesen Wochen die Mehrheit an seinen Stadtwerken zurückkaufen. Aber die Städte haben kein Geld, eine „Rekommunalisierung“ im großen Stil wird wohl nicht daraus
Die Versorgung Hamburgs mit klimafreundlicher Energie ist im April vorigen Jahres im schwarz-grünen Koalitionsvertrag vereinbart worden. Das städtische Unternehmen Hamburg Wasser soll im zweiten Quartal 2009 ein Konzept vorlegen, wie der Weg zu einem Stadtwerk aussehen könnte, das neben Wasser auch Strom und Wärme liefert. Noch in diesem Jahr soll die Lieferung von Strom angeboten werden, der „ohne Atom und Kohle“ erzeugt wird. In einem zweiten Schritt sollen nach Auslaufen der Konzessionsverträge 2013 die Netze für Gas und Fernwärme von den Versorgern Eon Hanse und Vattenfall zurückgekauft und wieder in staatlicher Regie betrieben werden. Ergänzt werde die Energieerzeugung dann durch Kraft-Wärme-Kopplung. „In Hamburg soll der Grundsatz gelten: Keine Wärme ohne Strom, kein Strom ohne Wärme“, hatte Umweltsenatorin Anja Hajduk (Grüne) als Ziel angekündigt. SMV
VON KLAUS WOLSCHNER
Das Vertrauen, dass Private alles besser und vor allem billiger machen, ist dahin. „Rekommunalisierung“ ist das neue Stichwort. In Kiel hat der Stadtrat in der vergangenen Woche beschlossen, dass die kommunalen Verkehrsbetriebe KVG, die 2003 privatisiert wurden, wieder zu 100 Prozent in die Hand der Kommune kommen sollen. In Bremen hat sich der Chef des Energiekonzerns Essent kurzfristig zu einem Besuch angemeldet, um zu erklären, dass Essent der Kommune Bremen seine 51-Prozent-Mehrheit an den alten Stadtwerken, die zwischen 1995 und 2000 privatisiert wurden, anbieten will. Der Preis dafür soll diese Woche noch genannt werden.
„Die Zeit der unreflektierten Privatisierungen ist vorbei. Auch Unternehmen, die sich in öffentlicher Hand befinden, können zukunftsfähig gemacht werden“, freuen sich die Kieler Fraktionsvorsitzenden Lutz Oschmann (Grüne) und Ralph Müller-Beck (SPD). Bundesweit gibt es eine Reihe von Beispielen für die Gegenbewegung.
Dortmund und Bochum haben mit Gelsenwasser den einst größten Privatkonzern der deutschen Wasserwirtschaft zurückgekauft – für rund 835 Millionen Euro. In Berlin gibt es Planspiele, die 1999 teilprivatisierten Wasserbetriebe zurückzukaufen. Auch kleine Gemeinden handeln: Das CDU-regierte saarländische Eppelborn hat beschlossen, dass Energieversorgung eine Aufgabe der Kommunalpolitik ist, und will den Strom wieder selbst verteilen.
Aber die aktuelle Diskussion in Bremen und in Kiel hat andere Hintergründe: Da geht es weniger ums Prinzip. Der holländische Essent-Konzern soll für 9,5 Milliarden Euro von der deutschen RWE übernommen werden. Die RWE fürchtet Bedenken des Kartellamtes und der europäischen Wettbewerbskommissarin wegen ihres erdrückenden Einflusses auf deutsche kommunale Energieversorger. Mit dem Schachzug, die Anteile an den Bremer Stadtwerken, die seit der Privatisierung SWB heißen, abzustoßen, könnte Essent dem Kartellamt den Wind aus den Segeln nehmen und den Weg für den Verkauf freimachen.
Insgesamt 1,1 Milliarden Mark hat Bremen damals bekommen. Rund 35 Millionen Euro ist derzeit die Rendite für 50 Prozent der Anteile. Einen Kaufpreis, der deutlich über dem damaligen Erlös liegt, könnte Bremen also nicht aus der Rendite finanzieren. Neue Schulden zu machen für unrentable Investitionen, das würde sich aber bei den derzeitigen Verhandlungen des überschuldeten Bremen mit dem Bund schlecht machen.
Der Stadtstaat steckt also in einer Zwickmühle. Denn wenn die Mehrheit an der SWB an einen Stromkonzern geht, der in der Region Überkapazitäten hat, dann könnte bald Schluss sein mit den Bremer Träumen einer eigenen Energieerzeugung. Noch wird der größere Teil des Stroms, der in Bremen verbraucht wird, auch im Land erzeugt. Doch viele der Kohlekraftwerke sind in die Jahre gekommen. Abschalten oder neu investieren, ist die Frage. Unter dem Dach des Atomstrom-Konzerns RWE befürchten die Stadtwerker das Schlimmste.
Der Fall der Kieler Verkehrsbetriebe macht ein anderes Dilemma der Privatisierungspolitik deutlich. Die Stadt müsste ab dem Jahr 2011 den Kieler Nahverkehr europaweit ausschreiben, wenn 49 Prozent der Verkehrsbetriebe KVG weiterhin von einer Privatfirma gehalten werden. Die 558 Beschäftigten haben Sorge, dass dann ein anderer Bieter als die KVG den Zuschlag bekommen könnte.
Vor diesem Hintergrund hat sich die rot-grüne Mehrheit im Stadtrat für eine Rekommunalisierung entschieden. Die CDU-Oberbürgermeisterin Angelika Volquartz zieht mit. Die Haushälter von Kiel halten allerdings eine Einsparsumme von zwei Millionen Euro bei den Personalkosten für unausweichlich. Ohne niedrigere Personalkosten, heißt es in einer vertraulichen Vorlage für den Rat, werde die KVG dauerhaft Verluste machen. Mit dem Lohnverzicht wäre hingegen die Voraussetzung für eine rentable kommunale Verkehrsgesellschaft geschaffen.
Dieser Tage wurde der Durchbruch gefeiert: Die Gewerkschaft Ver.di machte weit reichende Zugeständnisse. Die KVG-Mitarbeiter verzichten auf Zuschläge und Urlaubsgeld. Im Gegenzug sollen ihre Arbeitsplätze nach 2011 für weitere zehn Jahre sicher sein.
Spielen die privaten Anteilseigner der „Norddeutschen Bus-Beteiligungsgesellschaft“, hinter der wesentlich die Hamburger Hochbahn steht, mit? Tina Allerheiligen, die Sprecherin der Hochbahn, sieht das nüchtern: „Es kommt darauf an, was wir dafür kriegen würden.“ Am Donnerstag wird verhandelt.