Das Zentralorgan als Papiertiger

Seltsames Gebaren gegen einen Kritiker: Das „FAZ“-Feuilleton versucht, sich an Klaus Harpprecht zu rächen

Was vorher geschah: Erstens geht die FAZ in das schwierigste Halbjahr ihrer Geschichte seit 1948. Zweitens hat der Journalist Klaus Harpprecht in einem Gastbeitrag für die taz die Verantwortung für diese ökonomische Misere nicht allein in der allgemeinen Zeitungskrise, sondern auch bei FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher gesucht (siehe taz vom 2. 7.). In einem zweiten Gastbeitrag hat Harpprecht vorgestern nachgelegt (siehe taz vom 28. 7.). Und drittens räumte die FAZ gestern beinahe ihre gesamte Medienseite frei, um einen Kommentar Klaus Harpprechts aus dem Jahre 1983 zu dokumentieren; in einem Beitrag für die Fernsehsendung „Stern TV“ vom 26. April 1983 hatte er die Hitler-Tagebücher für echt gehalten.

Großer Fehler Harpprechts also. Aber was soll das jetzt? Kein Hinweis darauf in der gestrigen FAZ. Nimmt man den Kontext von Harpprechts taz-Texten aber hinzu, erschließt sich einem unmittelbar ein Zusammenhang von Feldzug und Rache. Hier soll ein Widersacher mundtot gemacht werden. Seht, er hat schon damals geirrt – und wie! Er zählt im Grunde schon gar nicht mehr. Der Subtext steht im Vorspann der Dokumentation: „Das Ansehen des berühmten Historikers Trevor-Roper hat sich bis zu seinem Tod im Januar diesen [sic!] Jahres nicht mehr von dem Schlag erholt, den er sich selbst zufügte, als er Kujaus Fälschungen sein Gütesiegel gab.“ Das Ansehen des berühmten Journalisten Harpprecht soll sich von diesem Schlag der FAZ nicht mehr erholen.

So. Ein Sommerlochstreit unter Feuilletonisten also (bei dem man sich nur insgeheim eine Frau zum Moderieren wünschte)? Nicht ganz. Denn erstaunlich ist es schon, hier schwarz auf weiß nachvollziehen zu müssen, wie stark die FAZ, immer noch feuilletonistisches Leitmedium, ihre interpretatorischen Standards zu senken vermag, um ein Zeitdokument für ihre Zwecke zurechtzubiegen.

Dass Harpprecht geirrt hat, ist der FAZ noch nicht genug; im Grunde ist es ja auch ein banaler Vorwurf. Darüber hinaus verkauft sie das Dokument als Hinweis darauf, „wie stark das Bedürfnis der Deutschen nach einem Hitler gewesen sein mag, mit dem man mitfühlen konnte“. Da aber muss man auf die Details bestehen, denn diese Interpretation verfehlt gerade die Pointe des damaligen Textes; ausdrücklich wendete sich Harpprecht dagegen, Hitler im Lichte seiner vermeintlichen Tagebücher „als Mensch zu begegnen“. Im Grunde legte er ein klares Stück vor, das nur von einer falschen Prämisse – der Echtheit der Tagebücher – ausgeht und deswegen obsolet ist. Mehr ist dazu nicht zu sagen. Eine Redaktion aber, die sich so offensichtlich dabei zusehen lässt, wie sie Zitate aus dem Zusammenhang reißt und tendenziös gegen den dokumentierten Text verwendet, die hat wirklich ein Problem. Ein ziemlicher Papiertiger, wessen Kampagnen sich so leicht aus den Angeln hebeln lassen.

Klaus Harpprecht versichert im Gespräch mit der taz, dass er seinen Fehler außerordentlich bedauert. Sein Honorar habe er damals einem gemeinnützigen Zweck gestiftet. Nun lässt er eine einstweilige Verfügung gegen die FAZ prüfen, weil die Wiedergabe seines Textes nicht mit ihm abgesprochen war. Ansonsten sehe er aber nicht, was sein damaliger Fehler mit seinen derzeitigen FAZ-Kommentaren zu tun habe. Und da hat er wohl Recht. DIRK KNIPPHALS