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Archiv-Artikel

Internationale Drohkulisse gegen Sudan

US-Außenminister Powell und UN-Generalsekretär Annan besuchen die sudanesische Hauptstadt Khartum und das westsudanesische Kriegsgebiet Darfur und drohen mit verstärktem Nachdenken, falls die Bevölkerung weiter leidet

BERLIN taz ■ Erst kamen nur Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen. Dann kamen afrikanische Militärexperten. Dann kamen europäische Staatssekretäre. Und jetzt sind US-Außenminister Colin Powell und UN-Generalsekretär Kofi Annan nach Sudan gereist. Alle diese Besucher haben ein Ziel: sich über den Krieg von Regierungstruppen und verbündeten Milizen gegen die Zivilbevölkerung in der westsudanesischen Region Darfur aufzuregen und das Ende dieses laut geläufiger internationaler Sprachregelung „an Völkermord grenzenden“ Geschehens zu fordern. Je hochrangiger der Besuch, desto mehr Notiz muss Sudans Regierung davon nehmen.

Beim Aufenthalt von Powell und Annan in Sudans Hauptstadt Khartum sowie in Darfur stand also erstmals halbwegs eine Drohkulisse: UN-Sanktionen gegen Sudans Regierung, falls die in Darfur wütenden Dschandschawid-Milizen nicht zurückgezogen werden, Hilfswerke keinen ungehinderten Zugang bekommen und keine Gespräche mit den Darfur-Rebellen beginnen. Die US-Regierung hat schon sieben Dschandschawid-Führer für mögliche gezielte Sanktionen benannt.

Allerdings kann man kaum sanfter drohen als Powell. „Wenn wir in all diesen Feldern nicht bald mehr Bewegung sehen, könnte es für die internationale Gemeinschaft nötig werden, mit dem Nachdenken über ein weiteres Handeln anzufangen, inklusive Handeln des Sicherheitsrats“, sagte der US-Außenminister am Dienstagabend nach seinem Treffen mit Sudans Präsident Omar al-Baschir.

Das Dilemma ist einfach: Die von Sudans Regierung verlangten Schritte werden schon seit Monaten regelmäßig formuliert. Sie werden auch zuweilen umgesetzt. So hat es mehrfach Gespräche zwischen der Regierung und den Darfur-Rebellen gegeben; theoretisch gilt seit April ein Waffenstillstand, den eine Beobachtermission der Afrikanischen Union (AU) überwachen soll. Rund 20 internationale Hilfswerke, so die jüngste UN-Bilanz, arbeiten in Darfur und versorgen immer mehr der rund eine Million Vertriebenen; am Dienstag, pünktlich zu Powells Ankunft, hob Präsident Baschir zum wiederholten Mal die bürokratischen Hindernisse für internationale Hilfswerke in Darfur auf. Nur die Kämpfe gehen weiter, aber dafür macht die Regierung die Rebellen verantwortlich.

All dies ändert wenig an der Dramatik des Leidens der Zivilbevölkerung. Die Zeitspanne bis Ende Juni, ab der die Regenzeit einen Großteil der Vertriebenen von Hilfe auf dem Landweg abschneidet, ist jetzt vorbei; in der kommenden Woche wird der Regen die nördlichsten großen Vertriebenenansammlungen in Darfur erreicht haben.

Asma Jahangir, UN-Sonderberichterstatterin für außergerichtliche Hinrichtungen, erklärte gestern in New York nach der Rückkehr von einer 13-tägigen Reise durch Darfur, in den Vertriebenenlagern habe „fast jede dritte oder vierte Familie“ Angehörige bei Angriffen der Milizen verloren. Es gebe „starke Anzeichen für Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. All das sagten UN-Berichterstatter schon vor mehreren Monaten.

Das Grundproblem besteht darin, dass Sudans Regierung alle Forderungen an sie dahingehend interpretiert, dass sie ihre Kontrolle über Darfur verstärken müsse. „Wir werden unsere administrativen, technischen und sicherheitspolitischen Bemühungen verdoppeln, damit die Hilfe die Bedürftigen erreicht“, kündigte Präsident Baschir am Dienstag an. Powell besuchte gestern bei al-Fascher in Darfur ein Modelllager für Vertriebene und äußerte sich denn auch skeptisch über die Idee einer internationalen Militärintervention: „Die bessere Antwort ist, dass Sudans Regierung die Kontrolle übernimmt.“

Über eine Intervention zum Schutz der Bevölkerung von Darfur hatte zuletzt Kofi Annan am Freitag nachgedacht. In Khartum nahm der UN-Generalsekretär davon wieder Abstand und bewies, dass man tatsächlich noch sanfter auftreten kann als Colin Powell. Er rief Sudans Regierung dazu auf, den Milizen in Darfur zu verbieten, Zivilisten anzugreifen. DOMINIC JOHNSON