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Archiv-Artikel

Schlichte Tatsachenfeststellung

betr.: „Die Kritik der Gewerkschaften an der SPD ist verlogen. Der falsche Gegner“, Kommentar von Ralph Bollmann, taz vom 28. 6. 04

Ich möchte Ralph Bollmann im Grunde zustimmen. Allerdings: Verlogen ist die Kritik aus den Gewerkschaften an der SPD nicht. Lügen heißt, bewusst die Unwahrheit sagen. Die Kritik entspricht aber dem Selbstbild dieser Gewerkschafter und ihrer Wahrheit: Wir haben Recht und die Alternativen. Wenn wir untergehen, dann ist der Gegner schuldig, wir haben alles richtig gemacht.

Wo sind die Auffanglinien für Verlierer der vor unseren Augen stattfindenden Veränderungen? Wie binden wir sie in einen neuen Aufbruch ein? Wie sprechen wir Gewinner an und würdigen deren Leistung, so sie vorhanden ist? Schön wäre es, wenn in den Gewerkschaften, der SPD, bei den Grünen, in der CDU die Gestalter eines gerechten Aufbruchs mit Antworten auf diese Fragen genügend gesellschaftliche Akzeptanz gewinnen könnten. Dazu müssten in ihren Organisationen die „Mit uns nicht zu machen“-Fraktionen ein bisschen weniger das große Wort schwingen dürfen.

Ich kann nur hoffen, dass die bittere Pille bei Siemens dazu beiträgt. ANTON MLYNCZAK, Frankfurt/Main

Ralph Bollmann sieht in Bsirskes Aussage, dass Schröder, gemessen an seinen ursprünglichen Zielen wie der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, gescheitert ist und dass der SPD die Stammwähler weglaufen, eine Kampfansage – dabei ist dies eine schlichte Tatsachenfeststellung.

 Die Regierung Schröder ist über das Jahr 2006 hinaus nicht zu retten, egal ob die Gewerkschaften auf Konfrontationskurs gehen oder nicht. Die einzige Chance der SPD besteht in einem Personalwechsel ganz oben (gab’s da nicht mal eine exzellente Präsidentschaftskandidatin?) und einem Kurswechsel. Ob das ausreichen wird, Merkel & Co. zu verhindern, weiß ich nicht. Aber mit Schröder wird das auf keinem Fall mehr was. HORST SCHIERMEYER, Zittau

Der taz von Dienstag ist das vollständige Zitat von Bsirske zu entnehmen: „Gemessen am eigenen Anspruch, Arbeitslosigkeit abzubauen, die Konjunktur anzukurbeln und für die SPD Mehrheiten zu gewinnen, sei Schröder gescheitert.“ Ist diese schlichte Wahrheit die Aufregung wert? Gewerkschaften, die nur Union und FDP kritisieren, werden in den Medien als einäugig und Anhängsel der SPD verdammt. Nun ist Ralph Bollmann die Kritik an erfolgloser Politik der SPD und Grünen auch nicht recht.

Die Mehrheit der Wähler/innen hat den Kanzler nicht für diese Politik gewählt. Die Menschen haben ein Gespür für die Ungerechtigkeit, die soziale Schieflage dieser Politik und wenden sich von der SPD ab. Sie laufen keineswegs mit fliegenden Fahnen zur Union über.

Die zum 1. 1. 2005 geplanten Gesetze „Hartz 4“ sehen für Leistungsempfänger/innen massive Kürzungen vor. Diese und die Unsicherheit bei Hunderttausenden Menschen, ob sie nicht demnächst Unterhalt für arbeitslos werdende Verwandte zahlen müssen, werden die schwächelnde Binnennachfrage massiv negativ beeinträchtigen. Die Arbeitslosigkeit wird steigen, die zusätzlichen Kosten dafür werden die Einsparungen aus „Hartz 4“ auffressen.

Ein anderes Zitat von Bsirske zur Politik von SPD und Grünen lautet: „Bei nachgewiesener Erfolglosigkeit einer Medizin über Jahre wird nicht etwa die Diagnose überprüft, sondern ständig nur die Dosis erhöht.“ Recht hat er. DIETER SCHÄFER, Oberhausen

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