: Islam diskutieren – aber ohne Islamisten
MuslimInnen gründen ein unabhängiges Forum: Die „Muslimische Akademie in Deutschland“ will Muslime in den demokratischen Dialog holen und die deutsche Debatte auf internationales Niveau heben. Finanzierung ist noch nicht gesichert
VON HEIDE OESTREICH
Zum ersten Mal versucht eine Akademie einen unabhängigen Diskurs über den Islam in Deutschland zu organisieren. Gestern präsentierte sich die frisch gegründete „Muslimische Akademie in Deutschland“ in Berlin der Presse. Sie will die Diskussion der Muslime über sich und ihre Rolle in der deutschen Gesellschaft „kritisch, rational und auf höherem Niveau als bisher“ ermöglichen, so der Vorsitzende des Trägervereins, Abdul Hadi Christian Hoffmann, Volkswirt und PR-Berater. Hoffmann hat unter anderem für die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit, die CDU und den Zentralrat der Muslime gearbeitet.
Gedacht ist sowohl an klassische Erwachsenenbildung für Muslime an verschiedenen Standorten in Deutschland als auch an ein Forum für Tagungen und Debatten. „Wir wollen Muslime befähigen, am demokratischen Diskurs in dieser Gesellschaft teilzunehmen“, präzisierte die Vizevorsitzende des Vereins, die Islamwissenschaftlerin Riem Spielhaus von der Humboldt-Uni in Berlin. Dies könne etwa durch Seminare für Rhetorik, Öffentlichkeitsarbeit, Kommunal- oder Schulpolitik geschehen. Die Diskussion über den Islam, so die zweite Vizevorsitzende, Yasemin Karakasoglu, Sozialwissenschaftlerin von der Universität Duisburg, solle vor allem den weltweiten Islam-Diskurs in die deutsche Debatte bringen.
In Abgrenzung zu muslimischen Einrichtungen, die meinen, Streit sei unislamisch, verschreibt sich die Akademie offiziell den Prinzipien „Überwältigungsverbot, Kontroversität und Interessenvertretung“ – so heißt es im Gründungsmanifest. Auch an anderen Stellen versuchen die InitiatorInnen, sich von weniger demokratisch gesinnten Verbänden abzugrenzen.
So hält die Satzung etwa fest, dass nur „unabhängige Musliminnen und Muslime, die zur Wahrnehmung, Reflexion und Vertretung der Pluralität des Islam bereit sind“, Mitglieder des gemeinnützigen Vereins werden können, der die Akademie trägt. Zu diesen Mitgliedern zählen sich etwa Johannes Kandel von der Friedrich-Ebert-Stiftung, den Islamwissenschaftler Ralph Ghadban oder die Theologin und Juristin Hamideh Mohagheghi vom muslimischen Frauennetzwerk Huda. Zudem will die Bildungsstätte „das Prinzip der Gleichstellung von Männern und Frauen in der Gesellschaft und so auch in der muslimischen Gemeinschaft“ verwirklichen. Auch dies dient der Abgrenzung gegenüber Hardlinern.
Initiiert wurde das Projekt von der ehemaligen Ausländerbeauftragten Berlins, Barbara John (CDU). Die ließ es weder an Offenheit noch an Ambition fehlen: „Die vorhandenen muslimischen Einrichtungen können den Dialog von Musliminnen und Nichtmusliminnen nicht leisten“, sagte John. Viele von ihnen seien auch „nicht so organisiert, dass man sagen kann, sie besäßen originär demokratische Strukturen.“ Sie vermittelten oft den Eindruck, „sie hätten keine Antworten auf unsere Fragen“, gerade nach dem 11. September 2001. „Das alles wird sich ändern können mit der Muslimischen Akademie“, so Johns Hoffnung.
Derart mit Erwartungen befrachtet musste die Akademie gleich ein gravierendes Problem gestehen: die ungesicherte Finanzierung. Zwar hat die Bundeszentrale für politische Bildung die Unterstützung von Projekten zugesagt, doch die Institution selbst hat noch kein Geld und residiert im Moment noch in einem geliehenen Raum. Der Verein hat sich darauf verständigt, nur Mittel aus Deutschland und von der EU zu akzeptieren. Man hofft auf Unterstützer wie die Quandt-Stiftung und auf spendable muslimische Unternehmer.