Wie Daimler reagiert

Seit fünf Jahren hat Daimler Chrysler ein Problem. Da tauchen, im Hörfunk und Internet, immer wieder hässliche Vorwürfe auf: dass die Werksleitung von Mercedes Benz Argentina aktiv an der Ermordung von fünfzehn Gewerkschaftern mitgewirkt hat. Ein merkwürdiges globales Bündnis hat sich gebildet, ohne politische Linie, ohne Struktur. In Deutschland das Labournet, die Informationsstelle Lateinamerika, der „Republikanische Anwälte- und Anwältinnenverein“, die „Kritischen Aktionäre“ sowie einige oppositionelle IG-Metaller; in Argentinien die „ehemaligen Mercedes-Arbeiter“ und in den USA Rechtsanwalt Dan Kovalik. Lästig für den Konzern. Dessen Abwehrstrategien:

Erstens: mauern und aussitzen. Daimler spielt das Problem herunter. Die wenigen Anfragen von Journalisten werden mit lapidarem „no comment“ abgetan, auf den Aktionärsversammlungen hartnäckige Fragen der „kritischen Aktionäre“ überhört. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Erich Klemm mauert mit. Mit möglichen Kritikern aus Nichtregierungsorganisationen sitze man doch an einem Tisch. DaimlerChrysler ist eine der ersten Firmen, die den schmackhaften „Global Compact“ unterzeichnet hat, jenes Versprechen der Großindustrie, soziale Standards und die Menschenrechte zu wahren. Das beschäftigt die NGOs, sie wollen den Dialog. Bei Gesprächen am Vorstandstisch übt man sich in wohlerzogenen Belanglosigkeiten.

Zweitens: in die Offensive gehen. DaimlerChrysler nimmt den Berliner Völkerrechtler Christian Tomuschat unter Vertrag. Der stellt im Dezember 2003 in Sindelfingen, am Geschäftssitz seines Auftraggebers, die Ergebnisse seines Gegengutachtens zu meinen Recherchen vor: Zwar kann er keinen der Vorwürfe widerlegen, gibt aber zu, dass die Firma den Militärs gegenüber Betriebsräte als „Agitatoren“ denunziert habe, die danach ermordet wurden. Daraus sei ihr aber kein Vorwurf zu machen, dies sei kein Mordauftrag gewesen. Selbst die Wirtschaftspresse teilt harsche Kritik aus, die sonst wohlwollende NZZ spricht von einem „Parteigutachten“.

Drittens: das „Recht zu schweigen“. Im April 2004 wird der Vorstand vor zehntausend Aktionären mit dem Vorwurf der Nazi-Geldwäsche und der Fluchthilfe für Kriegsverbrecher konfrontiert. Aus dem Saal schallt es „Aufhören“, der Aufsichtsratsvorsitzende Hilmar Kopper stellt wütend das Mikrofon ab. „Das ist eine Beleidigung der Aktionäre, Sie können sich an die Gerichte wenden.“ Auch Daimler-Chef Jürgen Schrempp versteckt sich hinter dem „Recht zu schweigen“.

Viertens: selektive Offenheit. Nein, meint Manfred Gentz, Chief Financial Officer des Konzerns, auf der Aktionärsversammlung, man wolle kooperieren bei der Wahrheitsfindung, zumindest beim Nationalsozialismus. Sogar Feindberührung ist möglich, ich soll im Archiv die Vorstandsprotokolle einsehen dürfen. Allerdings sind dort viele der von mit gewünschten Dokumente nicht vorhanden. Wahrscheinlich, so erfahre ich später, hätte ich selbst mehr Unterlagen als die Firma. So sei es auch beim Thema Zwangsarbeiter gewesen. Ich hatte nach Bankunterlagen über den Einkauf von Flugmotoren des Daimler-Werkes Berlin-Marienfelde gefragt, kurz vor Kriegsschluss durch das Eidgenössische Militärdepartement. Die Schweiz war neutral, was sie nicht daran gehindert hat, Rüstungsgüter bei den Deutschen einzukaufen und auf ein Schweizer Konto zu zahlen. Diese Informationen seien wohl im Reißwolf. Zu den 22 von mir genannten Mitarbeitern, die als „Experten“ bei Mercedes-Benz Argentina angestellt waren und bei denen es sich um Nazis und Kriegsverbrecher gehandelt haben soll, will man sich nicht äußern. Einige dieser Personen waren wahrscheinlich in Argentinien unter ihrem falschen Namen sozialversichert, in Deutschland unter ihrem richtigen Namen. Etwa Adolf Eichmann bei Daimler in Deutschland unter Adolf Eichmann und in Argentinien unter Ricardo Klement, Versicherungsnummer: 1.785.425. Personalakten, heißt es bei Daimler, seien aber vertraulich, der Datenschutz müsse respektiert werden. Fortsetzung folgt! GW