Die Recherche

Jahrelang habe ich im Nebel herumgestochert, als ich in Argentinien über die Morde an den Betriebsräten von Mercedes Benz während der letzten Militärdiktatur (von 1976 bis 1983) recherchierte. Auf der Grundlage dieser Rechercheergebnisse sind mehrere Verfahren anhängig: in Nürnberg (immer noch) das Strafverfahren gegen Daimler-Mitarbeiter wegen Beihilfe zum Mord, in Buenos Aires wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Und vor dem US-Bundesgericht in San Francisco ein Zivilverfahren gegen Daimler Chrysler wegen Entschädigungszahlungen an die Opfer.

Über meine Nachforschungen drehte ich einen Dokumentarfilm, „Wunder gibt es nicht. Die Verschwundenen von Mercedes Benz“. Das staatliche Fernsehen Argentiniens strahlte ihn jüngst zur prime time in voller Länge aus. Nun ist der Fall zumindest von Feuerland bis hoch in die Anden bekannt. „Wunder gibt es nicht“, so lautete die Antwort des Mercedes-Produktionschefs Juan Tasselkraut auf die Frage eines Richters, ob während die Diktatur die Produktivität gesteigert werden konnte, nachdem die kritischen Betriebsräte „verschwunden“ waren.

Das deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen hat die Ausstrahlung des Films abgelehnt. „Mangelnde Publikumsakzeptanz“, „Kein Interesse“ oder „Wir hatten schon mal Menschenrechte in Argentinien im Programm“ hießen die Argumente. Die von Anzeigen der Automobilindustrie abhängigen Medien halten sich bei der Berichterstattung über den Fall ohnehin zurück. Nur die taz veröffentlicht regelmäßig die neuen Erkenntnisse.

Vor einem Jahr stieß ich bei meiner Arbeit auf Spuren des Nazi-Vermögens. Merkwürdig: Für eines der brisantesten Rätsel der Nachkriegsgeschichte haben sich Journalisten bislang wenig interessiert: Was ist mit den Gewinnen der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie geschehen? Diese Gewinne stammen aus der „Arisierung“ jüdischen Vermögens, aus dem Zahngold der Konzentrationslager, der Ausbeutung der Arbeitskraft der Zwangsarbeiter, der Plünderung der Zentralbanken und der Einverleibung der Fabriken in den besetzten Ländern.

Auch der Bericht von US-Staatssekretär Stuart Eizenstat (1997) über das „Nazigold“ gibt darauf keine Antwort, er informiert nur über die schweizer Banken, also über die Tatsache, dass Nazi-Gelder vor Mai 1945 beizeiten weggeschafft wurden, schweigt aber darüber, wann und wie diese Nazi-Gelder wieder aktiviert wurden. Die argentinische Regierung von Juan Domingo Perón (1946 bis 1955) erwähnt der US-Bericht nur in wenigen Passagen: Allgemeinplätze, Bekanntes, keine Untersuchungsergebnisse. Großunternehmen werden ohnehin nicht an den Pranger gestellt.

Neue Quellen können jetzt erstmals erschlossen werden. Der Moment ist günstig: Präsident Néstor Kirchner, selbst Peronist, hat die Behörden angewiesen, Archive zu öffnen, die Auskunft über die Unterstützung von Nazi-Aktivitäten in Argentinien beinhalten. Und erstmals geben die Ämter Dokumente heraus, verstecken sich nicht hinter dem „Datenschutz“. In der Zentralbank, im Innen- und Justizministerium, bei Zoll und Polizei ist man auskunftsfreudig, endlich.

Auch für die Nazi-Geldwäsche und die Beschäftigung von Kriegsverbrechern bei Mercedes Benz Argentina scheinen sich deutsche Medien kaum zu interessieren. Zumindest nicht im Zusammenhang mit dem größten militärisch-industriellen Komplex Europas, Daimler Chrysler. GW

Über Daimlers Nazi-Geldwäsche erscheint im Verlag Assoziation A im September Gaby Webers Buch „Daimler Benz und die Argentinien-Connection“ (zirka 200 Seiten, 10 Euro).