Grüne Kommune feiert furchtbaren Juristen

Die Stadt Freiburg will den früheren Marinerichter und Ministerpräsidenten Hans Filbinger zum 90. Geburtstag ehren

Er war das ideale Feindbild für die Achtundsechziger. Hans Filbinger, baden-württembergischer Ministerpräsident von 1966 bis 1978, vereinigte alles Hassenswerte in seiner Person. Er weigerte sich hartnäckig, sich seiner Vergangenheit als Marinerichter in der Nazizeit zu stellen. Er regierte just das Bundesland, in dem der Knast von Stammheim stand. Er lag im dauerhaften Clinch mit dem Stuttgarter Intendanten Claus Peymann, der damals noch als progressiver Theatermacher galt.

Und für diesen Mann will ausgerechnet der erste grüne Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt, der Freiburger Dieter Salomon, eine Feierstunde ausrichten? Selbst die örtliche CDU mochte es anfangs kaum glauben. „Überraschend schnell“ habe er ein Okay bekommen, wunderte sich der CDU-Kreisvorsitzende, als er dem Stadtoberhaupt eine Feierstunde zu Filbingers 90. Geburtstag am 15. September vorschlug.

Der Bürgermeister stoße „eine ganze Generation von Alt-68ern vor den Kopf“, erregte sich ein Freiburger SPD-Gemeinderat. Weil auch Salomons eigene Parteifreunde der Ehrung fernbleiben wollen, zog der Rathauschef jetzt die Notbremse und stellte klar: Nicht er selbst, sondern sein CDU-Stellvertreter werde die Stadt beim Empfang für Filbinger vertreten. Gänzlich absagen will Salomon die Feier aus Respekt vor „dem hohen Alter“ des in Freiburg lebenden Jubilars allerdings nicht, auch wenn der flexible Grüne im gleichen Atemzug „Verständnis“ für die Protestlawine zeigt.

Dafür bietet die Biografie des 89-Jährigen auch allen Anlass. Noch in den letzten Kriegswochen hatte Filbinger 1945 als Marinerichter an Todesurteilen gegen Deserteure mitgewirkt. Nachdem der Schriftsteller Rolf Hochhuth eine Debatte über die Vergangenheit des „furchtbaren Juristen“ angestoßen hatte und neue Fälle bekannt wurden, musste Filbinger am 7. August 1978 zurücktreten und das Amt des Ministerpräsidenten dem „Cleverle“ Lothar Späth überlassen. In der eigenen Partei war es nicht allein seine Rolle in der NS-Zeit selbst, die ihm den Rückhalt entzog, sondern seine wenig überzeugenden Versuche der Verteidigung.

Eben diese Verteidigungsversuche waren es, denen sich Filbinger in den Jahren seines erzwungenen Ruhestands hauptberuflich widmen konnte. Von einer „Rufmordkampagne“ spricht er noch heute. Er sei während seiner Tätigkeit bei der Marine „als milder Richter bekannt“ gewesen und habe viele Verfahren eingestellt oder entschärft.

Dem Ziel der eigenen Rehabilitation diente auch die Gründung eines rechtslastigen Studienzentrums 1979 im tauberfränkischen Städtchen Weikersheim. Als Schnittstelle zwischen der CDU und dem rechten Rand des politischen Spektrums erwarb sich die Denkfabrik in den Folgejahren einen zweifelhaften Ruf. Im Vorstand saß zeitweise gar der baden-württembergische Landesvorsitzende der „Republikaner“.

Zu „exklusiven Sonderkonditionen“ werden die Mitglieder des Studienzentrums auch die Festschrift erwerben können, die Freunde aus Anlass des Geburtstags vorbereiten. Dort finden sich Beiträge über Filbingers „Mannheimer Jugend“ und sein „Wirken als Ministerpräsident“. Was er dazwischen so alles trieb, darüber schweigt sich die Buchankündigung aus.

RALPH BOLLMANN