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Archiv-Artikel

„Schokolade lässt sich leichter vermarkten“

Jean-Claude Leclère, Marketing-Manager der Kammerphilharmonie, über volle Konzertsäle und den Unterschied zwischen Schokolade und Klassik

Von kawe

Bremen taz ■ Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen ist in verschiedener Hinsicht ein außergewöhnlicher Orchester-Betrieb. Zum Beispiel bietet die Kammerphilharmonie zusammen mit dem Saarbrücker Hochschullehrer Prof. Christian Scholz Management-Trainingsseminare für große Unternehmen an. Und die Kammerphilharmonie leistet sich einen „Marketing Manager“, der vorher bei der Schokoladen-Marke Hachez war: Jean-Claude Leclère.

taz: Wenn ein Orchester gute Musiker hat – wofür braucht es dann Marketing?

Jean-Claude Leclère: Dieses Orchester funktioniert seit langem wie ein Unternehmen. Wir bewegen uns in einem wirtschaftlichen Umfeld, in einem Markt. Da gibt es Konkurrenz, Zielgruppen, Marktgrößen. Die Deutsche Kammerphilharmonie ist davon noch stärker abhängig als andere Orchester, weil wir nur 40 Prozent unserer Kosten als Zuschuss bekommen, also 60 Prozent selbst erwirtschaften müssen. Um attraktiv zu sein für Konzertbesucher, für Veranstalter und für Sponsoren müssen wir uns in den Köpfen positiv darstellen. Für diese Kommunikation ist Marketing wichtig.

Sie haben vorher bei Hachez gearbeitet. Was lässt sich einfacher vermarkten – ein Orchester oder Schokolade?

Schokolade.

Warum?

Weil das Produkt sich nicht ständig ändert. Jedes Mal muss der Saal für ein Produkt mit anderem Programm, anderen Solisten, anderem Dirigenten voll werden.

Sagen Sie als Marketing-Mann auch manchmal: Wenn ihr den Saal voll haben wollt, müsst ihr dies oder das spielen?

Da halte ich mich zurück. Das ist auch nicht mein Job, das Programm zu bestimmen.

Aber es wäre schön für Ihre Arbeit, wenn Sie das könnten?!

Jein. Ja, es könnte kurzfristig positive Effekt haben. Langfristig würden wir unsere eindeutige Positionierung verlieren und somit unsere Attraktivität. Wir definieren uns auch über Programm und Repertoire. Unser Programmausschuss ist wie eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung, und ich bin nicht dabei und möchte das auch nicht.

Wie erklären Sie Ihren treuen oder weniger treuen Zuhörern, was genau das Produkt Kammerphilharmonie ist?

In der Welt sind unsere Kunden und Partner die Veranstalter. Durch die Veranstalter erreichen wir unser Publikum. Durch die CDs natürlich auch. In Bremen ist das anders. Bremen ist ein Heimmarkt, da haben wir einen anderen Auftritt als in New York in der Carnegy Hall oder wenn wir in Japan sind. Hier erreichen wir unser Publikum direkt, durch Newsletter, durch Info-Blätter, durch Programmhefte und durch die informativen Auftakte eine halbe Stunde vor den Konzerten. Das sind Merkmale, die man über Jahre aufbauen muss. Unser Problem in Bremen ist: Wir machen fast keine Plakate, will unsere Konzertreihe ausabonniert ist. Wir hatten zusätzlich nur ein Sonderkonzert, die First Night und Sommer in Lesmona.

Hachez würde mehr produzieren, wenn eine Charge ausverkauft ist.

Ja, das würde für uns bedeuten: Das Doppelte zu machen. Dies müssen wir behutsam und vorsichtig angehen. Wir können nur unsere Konzert-Reihe verdoppeln, wenn wir sicher sein können, dass wir ausverkauft sind. Erst dann können wir unsere Kosten abdecken. Wir sind froh, dass die zweite Abo-Reihe ausverkauft ist.

Die First Night lockte das Publikum umsonst auf den Marktplatz. Was macht das für einen Sinn, wenn die Glocke ausverkauft ist?

Erst einmal war die First Night ein besonderes Ereignis. Wir wollten unser neuen Künstlerischen Leiter Paavo Järvi Bremen feierlich vorstellen. Des Weiteren passen in die Glocke nur 1.500 Menschen. Da wir wenige Anzeigen und Plakate im Jahr schalten, sind solche Events da am wirkungsvollsten, um Menschen, die leider nicht im Konzert-Saal sein können, zu erreichen und ihr Interesse zu wecken.

Marketing stützt sich gern auf Persönlichkeiten. Würden Sie sich als Marketing-Mensch wünschen, dass Paavo Järvi öfter in Bremen ist?

Das wäre sicherlich eine große Hilfe.

Das Philharmonische Staatsorchester stellt sich heute als „Bremer Philharmoniker“ vor. Ist da eine Konkurrenz zur Kammerphilharmonie entstanden?

Nein. Die arbeiten nicht in unserem Segment. Interview: kawe