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Viel Wirbel um Bisky

Abgeordnete von CDU und SPD relativieren Stasivorwürfe gegen PDS-Chef. Bisky lieferte Berichte aus dem Ausland

BERLIN taz ■ Wann kann man davon sprechen, dass jemand Inoffizieller Mitarbeiter (IM) beim DDR-Geheimdienst war? Über diese Frage streiten seit gestern wieder Politiker und Publizisten. Denn die Zeit wirft in ihrer heutigen Ausgabe dem PDS-Vorsitzenden Lothar Bisky vor, für die Stasi als IM tätig gewesen zu sein. Als Belege für eine Zusammenarbeit Biskys mit der Stasi führt die Wochenzeitung Vermerke an, die sich in den so genannten Rosenholz-Daten finden lassen. Bisky ist damit der erste prominente Politiker, dessen Name in den Akten der Auslandsaufklärung (HVA) auftaucht, nachdem diese kürzlich von den USA zurückgegeben wurden.

Die Birthler-Behörde hat den Bericht bestätigt. Eine Sprecherin betonte jedoch, die Erkenntnisse über Biskys Zusammenarbeit mit dem Auslandsgeheimdienst der DDR seien nicht neu. Der PDS-Chef wurde ab 1966 von der HVA unter dem Tarnnamen „Bienert“ registriert. Zwischen 1969 und 1979 hat er als Wissenschaftler am Leipziger Institut für Jugendforschung über mehrere Auslandsreisen berichtet. Außerdem habe er Einschätzungen über mehrere Referenten eines internationalen Kongresses geschrieben, der 1976 in Leipzig stattfand. Dass zumindest Kopien dieser Berichte bei der Stasi landeten, geht aus den Unterlagen der Birthler-Behörde hervor. Wie sie dorthin gelangten, bleibt jedoch unklar. Aus den Rosenholz-Daten geht auch hervor, dass Bisky nach langer Pause 1987 erneut Kontakte zur HVA hatte.

Die Rosenholz-Daten waren Anfang der 90er-Jahre in den Besitz des amerikanischen Geheimdienstes gelangt. Seit Anfang Juli besitzt die Birthler-Behörde Kopien des Materials. Die Dateien enthalten die Klarnamen von Stasi-Spitzeln und deren persönlichem Umfeld.

Bisky reagierte mit einer schriftlichen Erklärung. Er wies darauf hin, dass er bereits 1995 alles zu seinen Stasiverwicklungen gesagt habe. Offizielle Kontakte zum DDR-Geheimdienst habe er von Anfang an bestätigt. Bisky bestritt aber, als IM für die Stasi tätig gewesen zu sein. Es gebe keine von ihm unterschriebene Verpflichtungserklärung.

Für Hubertus Knabe steht trotzdem fest, dass Bisky Stasi-Spitzel war. „1995 hat Bisky gesagt, es gebe keinen Decknamen und keine Registrierung als IM – beides ist jetzt da“, sagte der Leiter der Stasi-Gedenkstätte in Hohenschönhausen. Die fehlende Selbstverpflichtungserklärung sei kein Beweis. Diese Neuigkeiten über Bisky wurden von CDU- und SPD-Politikern relativiert.

Der ostdeutsche CDU-Bundestagsabgeordnete Günter Nooke sagte, die Rosenholz-Daten bestätigten lediglich alte Erkenntnisse. Diese seien „nicht so spektakulär“. Hans-Joachim Hacker (SPD) sagte zur taz, in den Rosenholz-Daten habe die Stasi auch Personen erfasst, die nicht wissentlich für den Geheimdienst spioniert hätten. Bis das Gegenteil bewiesen sei, habe Bisky als unschuldig zu gelten. „Wir brauchen Zeit, um genau zu prüfen“, sagte Hacker. Sensationshascherei schade der Aufarbeitung. Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz kritisierte die Erregung über Bisky. „Es ist nicht gut, dass die Debatte gleich mit Angriffen beginnt“, sagte er zur taz. Über die Stasi-Verstrickungen Biskys werde berichtet, ohne dass die Taten eingeordnet würden.

Bei der PDS ist man gelassen. „Wir haben nicht den Eindruck, dass sich das zu einer Krise der Partei auswachsen könnte“, so die PDS-Bundestagsabgeordnete Petra Pau. MATTHIAS BRAUN

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