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Archiv-Artikel

die anderen über den prozess gegen saddam

Die NZZ am Sonntag kommentiert: Die Erwartungen an das Gerichtsverfahren sind groß. Der Prozess, der erst nächstes Jahr beginnen soll, muss den Opfern Saddams Gerechtigkeit widerfahren lassen. Er soll aber auch internationalen Standards genügen, um den Vorwurf zu widerlegen, dass die Richter auf Geheiß Amerikas Rachejustiz übten. Schließlich wird man an den Prozess die Hoffnung knüpfen, dass er die Aussöhnung unter Irakern befördern möge. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, genügt ein Schuldbeweis allein nicht. (…) Nur wenn alles ans Licht kommt, erhalten die Iraker den Jahrhundertprozess, von dem sie sich die Erlösung von einem Trauma erhoffen.

Die römische Zeitung La Repubblica meint dazu: Die Schiiten wollen ihn tot, dagegen ist ein Großteil der Sunniten bereit, ihm zu vergeben. Der Wiederauftritt Saddam Husseins nach sechs Monaten der totalen Stille in den Medien entzündet wieder den Hass und spaltet das Land in zwei Teile. Es gibt Demonstrationen für und gegen ihn. Zwar lässt nichts den Gedanken aufkommen, dass es im Irak gegenwärtig die Gefahr gebe, dass es zwischen den politischen Fraktionen zu einer Art gewaltsamer Abrechnung kommen könnte. Aber es wäre auch ein beunruhigendes Signal, wenn Schiiten und Sunniten sich in einem Punkt weiterhin einig sind: Das wahre Problem ist Amerika.

Die Times aus London schreibt: Der gestürzte Despot könnte natürlich auch nach den Gesetzen bestraft werden, die zur Zeit seiner eigenen Präsidentschaft im Irak galten. Eine Anklage könnte dabei „Hochverrat“ (khianat al kubra) lauten, weil er sich versteckte und sein Volk im Stich ließ, worauf die Todesstrafe stand. Ob westlich, irakisch oder islamisch, Saddams Prozess kann nur mit einem Urteil enden: schuldig.

Und die Wiener Zeitung Standard meint schließlich: Ob man es will oder nicht, Saddam Hussein hat sich am Donnerstag ein Stück seiner Würde zurückgeholt. Wobei natürlich die Tatsache ausschlaggebend ist, dass der Auftritt in einem von Gewalt und Chaos erschütterten Irak vonstatten ging. Einmal mehr zweifelt man an der politischen Klugheit derer, die das zulassen. Auf den Saddam-Prozess hatte der neue Irak so viel Hoffnung gesetzt: Die Gefahr erscheint im Moment jedoch groß, dass er von Saddam usurpiert wird. Der dann natürlich trotzdem verurteilt werden wird – ohne dass in der arabischen Welt ein überwältigender Konsens hergestellt wird, dass das zu Recht geschieht. Dabei wäre das so wichtig.