: Tricky Dickie in der Klemme
In „Frost/ Nixon“ von Ron Howard wird ein Kapitel Mediengeschichte erzählt
In der angelsächsischen Welt gilt er noch immer als einer der entscheidenden Momente in der Geschichte des Fernsehens. Vergleichbar mit dem „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort“ von Uwe Barschel in Deutschland, aber halt nicht nur mit einem sich selbst entlarvenden Schurken, sondern auch mit einem Helden. 1977, drei Jahre nach seinem Rücktritt, gewährte Richard Nixon dem britischen Talkmaster (dies ist übrigens genau wie Handy ein ganz und gar deutsches Wort) David Frost ein Fernsehinterview, bei dem es dem Journalisten entgegen allen Erwartungen gelang, den Ex-Präsidenten so aus der Reserve zu locken, dass er zum ersten Mal seine Schuld am Watergate-Skandal beichtete.
Frost war politisch und rhetorisch ein Leichtgewicht, Nixons Spitzname war nicht umsonst Tricky Dickie, und so ist es eine spannende Geschichte, warum ihr Rededuell nicht mit dem Sieg des sichersten Schützen endete. Der Brite Peter Morgan hat ein Talent dafür, solche Geschichten aus dem realen politischen Leben der jüngsten Geschichte zu dramatisieren. Er schrieb das Drehbuch zu dem Film „The Queen“, der davon handelt, wie Elisabeth II lernen musste, öffentlich um Prinzessin Diana zu trauern. Den Zweikampf „Frost/Nixon“ hat er vor einiger Zeit in einem Theaterstück für zwei Personen verarbeitet, das mit großem Erfolg in London und New York aufgeführt wurde. Dieses Kammerspiel hat nun der Hollywood-Regisseur Ron Howard adaptiert, ein Fachmann für „seriöse Unterhaltung“, der 1995 mit “Apollo 13“ schon einen andere große wahre Geschichte dramatisiert hat.
Morgan und Howard sind so klug, die Geschichte aus der Perspektive des vermeintlich unwichtigeren Herausforderers zu erzählen. Die definitive Suche nach der Seele von Richard Nixon hat Oliver Stone ja schon mit Antony Hopkins in der Rolle des tragischen Antihelden geliefert. Und indem er von dem Luftikus Frost erzählt, kann der Film eher heiter als schuldbeladen beginnen. Den Frost ist eine typische Medienpersönlichkeit der 70er Jahre: ein Lebemann, der seine Karriere eher seinem Charme vor der Kamera als seinen journalistischen Fähigkeiten verdankt. Ein Interview mit den Bee Gees liegt ihm mehr als ein gut recherchiertes Gespräch mit einem der einst mächtigsten Männer der Welt. Aber mit seinem Instinkt für eine sensationelle Gelegenheit macht er Nixon das Angebot für ein an vier Tagen aufgezeichnetes TV-Interview. Nixon verlangt viel Geld und ein Teil der Spannung des Film entsteht, wenn Frost versucht die Show vorher an Fernsehsender in aller Welt zu verkaufen, schließlich aber die Millionen Dollars aus eigener Tasche aufbringen muss. Und dann zeigt sich an den ersten Tagen, dass er seinem Kontrahenten auf allen Ebenen unterlegen ist, und er statt einer Beichte eine PR-Show für den Ex-Präsidenten produziert, die niemand im Fernsehen sehen will. Wie Frost seinen Gesprächspartner bei der letzten Sitzung dann doch aus seiner Selbstsicherheit reißen kann, wird inszeniert Howard in ruhigen Einstellungen, bei denen er sich ganz auf Michael Sheen in der Rolle von Frost und Frank Langella als Nixon konzentriert.
Aber ist ein Film über Nixon heute aktuell? Wie „Milk“, der in zwei Wochen in die Kinos kommt, und ebenfalls für mehrere Oscars nominiert wurde, ist „Frost/Nixon“ ein Neo-Bush-Film, und trifft den Zeitgeist in den USA sehr genau. Und wenn man sieht, als was für ein imposanter und smarter Mensch Nixon hier noch in der Niederlage gezeichnet wird, kommt einem unwillkürlich in den Sinn, wie wenig Format George W. Bush dagegen hat. WILFRIED HIPPEN