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Archiv-Artikel

Countdown zum Frieden

Liberia wartet auf die Intervention. Am Montag soll Nigeria erste Truppen schicken, dann geht Präsident Taylor ins Exil

von DOMINIC JOHNSON und HAKEEM JIMO (Accra)

Der Zeitplan zum Eingreifen steht. Am kommenden Montag sollen erste nigerianische Friedenstruppen in Liberias umkämpfter Hauptstadt Monrovia landen, wo hunderttausende von Menschen eingekesselt und vom Hungertod bedroht sind. „Nichts kann diese Stationierung noch aufhalten“, sagte Mohamed Ibn Chambas, Generalsekretär der westafrikanischen Regionalorganisation Ecowas (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft), gestern Abend vor der Presse in Ghanas Hauptstadt Accra, wo Ecowas-Staatschefs abschließend die Eingreifpläne geprüft hatten.

Wochenlang hatten politische Rivalitäten, finanzielle Querelen und das vergebliche Warten auf eine Führungsrolle der USA die Interventionsbereitschaft der westafrikanischen Nachbarländer Liberias gelähmt. Aber am Dienstag, als die Berichte über eine humanitäre Katastrophe im belagerten Monrovia immer zahlreicher wurden, forderte UN-Generalsekretär Kofi Annan den Sicherheitsrat auf, Planungen für einen UN-Einsatz einzuleiten. Am Mittwoch legten die USA einen Resolutionsentwurf vor, dessen Einzelheiten sich mit Kofi Annans Dreistufenplan zur Intervention decken. Als dann noch US-Afrikastaatssekretär Walter Kansteiner am Mittwoch in Accra ankündigte, die Finanzierung der Truppe sei geklärt, waren alle Hindernisse zunächst ausgeräumt.

Die Landung von zwei nigerianischen Bataillonen mit insgesamt 1.500 Mann, die bereits in Nigeria sowie bei der UN-Blauhelmmission in Sierra Leone Gewehr bei Fuß stehen, ist dabei nur der erste Schritt. Sie sollen, wie Kofi Annan ausführt, „die Lage in Monrovia stabilisieren, während Präsident Taylor geht“. Der Rücktritt des liberianischen Präsidenten ist spätestens drei Tage später vorgesehen, also bis zum 7. August. Taylor soll, wie Liberias Kriegsparteien bereits am 17. Juni vereinbart hatten, zugunsten einer neutralen Interimsregierung die Macht abgeben; er wird sich nach Nigeria ins Exil zurückziehen. Dessen Regierung baut ihm gerade ein Gästehaus in Calabar, einer Stadt am östlichen Ende des Niger-Flussdeltas nahe der Grenze zu Kamerun – ganz weit weg.

Nach Taylors Abgang, so Ecowas-Generalsekretär Chambas gestern weiter, soll innerhalb von drei Wochen das Gros der westafrikanischen Friedenstruppe in Monrovia landen und laut dem Brief Annans „die Einsetzung einer Nachfolgeregierung und die Lieferung humanitärer Hilfe erleichtern“. Nigeria, Ghana, Mali, Benin, Senegal und Togo haben dafür 3.250 Soldaten zugesagt.

Anfang Oktober, so der US-Resolutionsentwurf, wird diese Truppe dann von einer regulären UN-Blauhelmmission mit robustem Eingreifmandat zur Friedenserzwingung abgelöst. Die UN-Soldaten, so Annan, „würden einen Sicherheitsschirm bilden und die Bedingungen für die Abhaltung von Wahlen schaffen“; außerdem sollen sie Regierungsgebäude, Häfen und Flughäfen bewachen, Milizen entwaffnen und „Zivilisten angesichts von Gewalt in ihrem unmittelbaren Stationierungsort schützen“.

Das ist ein ambitioniertes Ziel angesichts der Situation Liberias. Taylors Regierungsarmee ist für Entführungen und Plünderungen bekannt, die Rebellen ebenso. Die Hilfsorganisation „Save The Children“ schätzt, dass 70 Prozent der Kämpfer in allen Kriegsparteien Kinder sind. Liberias Rebellen verlangen mehr Macht in der Interimsregierung, als die vorliegenden Pläne ihnen zusprechen, und könnten sich der Eingreiftruppe entgegenstellen. Die USA hoffen, dass die Rebellen rings um Monrovia sich friedlich zurückziehen.

Der Erfolg des Eingreifplans hängt also vom guten Willen der Beteiligten ab. Und daran ist nach früheren Erfahrungen in Liberia zu zweifeln. Am Rande der Ecowas-Konferenz in Ghana war davon die Rede, dass die geplante Truppenstärke bei weitem nicht ausreiche – vor allem dann nicht, wenn der Einsatz über Monrovia hinaus ausgedehnt werden sollte. 12.000 Soldaten bräuchte man, sagte in Accra Nigerias früherer Armeechef Victor Malu. Er muss es wissen: In den 90er-Jahren leitete er die letzte von Nigeria geführte westafrikanische Eingreiftruppe in Liberia. Der Einsatz forderte allein unter den Nigerianern 800 Tote.