: Die letzten Mohikaner retten
SPD will mehr mit Genossen reden, um sich gegen das bundesweite Linksbündnis „Wahlalternative“ zu wappnen. Währenddessen will PDS-Bezirksverband per Volksbegehren den rot-roten Senat kippen
VON STEFAN ALBERTIUND FELIX LEE
Mit mehr Kommunikation will die Berliner SPD verhindern, dass weitere Mitglieder einen hiesigen Ableger des am Wochenende bundesweit gegründeten Vereins „Wahlalternative“ unterstützen. Man müsse die eigenen Erfolge deutlicher herausstellen, sagte Landesgeschäftsführer Andreas Matthae, der sich um eine „Zersplitterung der Linken“ sorgte.
Während bei der SPD Einzelne protestieren, geht beim Koalitionspartner PDS ein ganzer Bezirksvorstand auf Konfrontationskurs: Er ruft dazu auf, das Volksbegehren gegen den von der eigenen Partei getragenen Senat zu unterstützen. Der PDS-Landesvorstand fordert, den Aufruf zurückzunehmen, droht aber nicht mit Konsequenzen.
„Macht mit beim Volksbegehren gegen den Kahlschlag! Es reicht!“ heißt es auf der Internetseite der PDS Charlottenburg-Wilmersdorf, ein Unterschriftsformular lässt sich direkt ausdrucken. Er ist mit 50 Mitgliedern einer der kleinsten Bezirksverbände der Partei. Unter den sechs reinen Westbezirken holte die PDS hier aber bei der Wahl 2001 das zweitbeste Ergebnis. Landeschef Stefan Liebich tat den Aufruf als Fortsetzung eines parteiinternen Streits ab, der seit der Wahl des neuen Bezirksvorstands andauere. Die beiden örtlichen Bezirksverordneten distanzierten sich von dem Unterstützungsaufruf.
Für den Antrag auf ein Volksbegehren liegen einen Monat nach Start der Aktion 10.000 Unterschriften vor. Bis zum 4. Dezember bleibt Zeit, weitere 40.000 Unterschriften zusammenzuholen. Das wären 8.000 pro Monat – die Sammler liegen bisher also deutlich über dem Schnitt. Auch im Vergleich zu früheren Anträgen auf Volksbegehren schneiden sie gut ab. Die Initiative „Berliner Bankenskandal“ hatte nach einem Monat gerade einmal 1.000 Unterschriften zusammen. Die Leute stünden Schlange an den Infoständen, sagt Michael Prütz, der Sprecher der Initiative. Er rechnet mit 70.000 Unterschriften.
Gelingt das, kommt es zum eigentlichen Volksbegehren: einen Volksentscheid zu erzwingen. Diese Stufe gilt als deutlich schwerer als die derzeitige Sammlung. Zum einen sind nicht sechs, sondern nur zwei Monate Zeit. Zum anderen müssen nicht 50.000, sondern 480.000 Wahlberechtigte unterschreiben. Und die können das nicht einfach auf einer Liste am Infostand oder an der Haustür tun, sondern müssen dazu zum Bezirksamt gehen.
„Das ist der schwierigste Schritt“, räumt Prütz ein. Viele Erfahrungswerte haben die Initiatoren ohnehin nicht. In Berlin gab es bisher erst zwei erfolgreiche Volksbegehren, einen Senat abzusetzen: 1981 nach einer Bauaffäre und 2001 nach dem Bankenskandal. Zum eigentlichen Volksentscheid kam es dann nicht mehr, weil sich das Abgeordnetenhaus der Forderung des Begehrens anschloss. Bei Neuwahlen löste dadurch 1981 ein CDU-Minderheitssenat eine sozialliberale Koalition ab, 20 Jahre später folgte Rot-Rot auf Schwarz-Rot.
Zusammen mit der gleichfalls für das Volksbegehren sammelnden Polizeigewerkschaft GdP und der Gewerkschaft Erziehung, Wissenschaften (GEW) wollen die Initiatoren als Anlaufstelle ein Büro eröffnen. Am 14. August, in der ersten Woche nach den Sommerferien, soll es eine Massenmobilisierung geben, bei der die Unterschriftensammler gleichzeitig an 70 Stellen in der Stadt stehen wollen.
Zurückhaltend bis ablehnend geben sich auch die drei Oppositionsfraktionen im Abgeordnetenhaus. Zu besitzstandswahrerisch und rückwärts gewandt erscheint ihnen das Anliegen der Initiative „Volksbegehren soziales Berlin“, Kürzungen von Rot-Rot rückgängig zu machen. „Die, die sich da zusammengefunden haben, wollen nur opponieren“, sagt Grünen-Landeschef Till Heyer-Stuffer. Die jüngsten Erfolge der Grünen würden hingegen zeigen, dass sich konstruktive statt Betonopposition auszahle. „Unsere Wähler wollen keine schlichte ‚Weg damit‘-Politik ohne Alternative.“ FDP-Fraktionschef Martin Lindner will ein Ende von Rot-Rot, nicht aber eine Politik, wie Prütz sie fordert: „Denen geht ja das bisschen Reform von Rot-Rot schon zu weit.“
Am ehesten scheint die CDU geneigt, zukünftig noch aufzusteigen. Generalsekretär Gerhard Lawrentz hat zwar noch wenig Lust auf Zusammenarbeit mit dem Kreis um Prütz – für ihn „ein paar linke Typen aus Friedrichshain-Kreuzberg“. Wenn allerdings 50.000 Unterschriften zusammenkommen und die erste Hürde genommen ist, sieht die Sache für ihn anders aus: „Dann haben wir eine neue Situation.“ Die CDU-Strategie scheint klar: Erst mitziehen, wenn der Erfolg sicher ist. Lawrentz mag kein Desaster nach US-Vorbild riskieren: „Wir wollen nicht in der Schweinebucht landen.“