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Archiv-Artikel

Die Gastronomen saufen ab

Der Dauerregen verdirbt der Gastronomie das Geschäft. Die Umsätze sanken um bis zu 60 Prozent. Die Übertragung der Fußball-EM konnte das nur wenig abmildern. Zum Glück regnet es Touristen

VON VERENA HEYDENREICH

Übers Wetter schimpfen gehört dazu, doch den Unternehmern im Open-Air-Bereich geht langsam die Puste aus. Die Freibäder leiden unter Besuchermangel (siehe unten). Und Bier trinken will an der feucht-frischen Luft auch niemand. Peter Vogl, Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbands Berlin, geht von 30 bis 40 Prozent weniger Einnahmen im Vergleich zum Vorjahr aus. „Die Außengastronomie leidet“, klagt Vogl. Und drinnen sitzen will auch niemand. Denn bei Dauerregen, so Vogl, blieben die Leute lieber gleich zu Hause. Eine Pleite habe es bisher wohl nur deshalb nicht geben, weil die Gaststätten im letzte Jahr Speck ansetzen konnten, vermutet Vogl.

Doch der Speck ist dünn. Besonders hart trifft es die auf Sommerfeeling spekulierenden Strandbars. So verzeichneten die Betreiber der Strandbar im Monbijoupark, des Oststrands in Friedrichshain und des Hexenkessel Hoftheaters 50 bis 60 Prozent Umsatzeinbußen. Im Rekordsommer 2003 wurden zwar auch überall Rekordumsätze verbucht. „Die Gewinne haben wir aber investiert“, erklärt Ron Bloch, Sprecher der drei Veranstaltungsorte, „denn eigentlich sollte mit den Strandbars auch das Theater querfinanziert werden.“ Ohne besseres Wetter sieht er keine Chance mehr, dieses Jahr noch schwarze Zahlen zu schreiben.

Entspannter sieht André Fröhlich in den Regen. Der Geschäftsführer von „Oranke am See“ in Hohenschönhausen und „Oranke Orange“ an der Karl-Marx-Allee findet den Sommer noch „normal“. Regen habe es auch letztes Jahr gegeben. Die Strandbars gerettet habe aber die Fußball-EM. „Die Großleinwände haben den Umsatzrückgang aufgefangen“, sagt Fröhlich. „Manche Spiele haben sich bei uns mehr als 1.000 Gäste angeschaut.“

Nicht jeder hat von der Europameisterschaft profitiert. Thomas Rothe, Inhaber des Biergartens im Prater, wollte seine Gaststätte eigentlich zur fußballfreien Zone machen. „Ich dachte, das wird böse prollig“, sagt Rothe, „aber ich habe die gesellschaftliche Akzeptanz unterschätzt.“ Die Einnahmen des Biergartens sanken gegenüber dem Vorjahr um die Hälfte. Auch wenn der Innenbereich besser läuft, wird Rothe keine Rücklagen bilden können. Daran änderte auch das späte Einschwenken auf die Fußballlinie nichts mehr. „Nachdem selbst meine lesbische Buchhändlerin Fußball gucken ging“, sagt Rothe, „wusste ich, dass ich eine spektakuläre Falschentscheidung getroffen habe.“

Vielleicht sollte er künftig noch stärker auf Touristen setzen. Denn die zieht es bei jedem Wetter in die Stadt. Natascha Kompatzki, Sprecherin der Berlin Tourismus Marketing GmbH, geht davon aus, dass 2004 ein Besucherrekord erreicht werden könnte. Im ersten Quartal fuhren 14 Prozent mehr Gäste als im Vergleichszeitraum des Topjahrs 2000 nach Berlin. „Gründe dafür sind Billigflüge und günstige Hotels. Viele buchen langfristig und unabhängig vom Wetter.“ Das bleibt weiter unbeständig. Bis zum Wochenende muss immer wieder mit Schauern und Gewitter gerechnet werden.